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Feldkanzerisierung
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Allgemeine Information
Slaughter et al. führten 1953 den Begriff der Feldkanzerisierung während ihrer Untersuchungen am Platteneptihelkarzinom in der Mundhöhle ein. Sie beobachteten in mehren Arealen histologisch abnormes Bindegewebe, das sich unmittelbar in der Nachbarschaft der Plattenepithelkarzinome befand. Den Beobachtungen zufolge schlussfolgerten sie, dass Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle sich an unterschiedlichen Stellen, insbesondere an bereits bindegeweblich pathologisch veränderten Regionen, entwickeln können. Die Persistenz solcher unphysiologisch veränderten Bindegewebsregionen könnte auch erklären, weshalb nach chirurgischen Resektionen lokal Rezidive auftreten.
Der Begriff der Feldkanzerisierung wurde bisher an mehreren Organsystemen beschrieben: Hals, Kopf, Oropharynx, Lunge, Ösophagus, Vulva, Zervix, Brust Haut, Kolon und Blase. Er spielt in der Beurteilung einer MDE bei arbeitsbedingten Hautkrebserkrankungen eine Rolle (s.u. BK 5103)
Derzeit existieren mehrere Studien und Vorstellungen, wie Feldkanzerisierung entsteht und welche prognostische Aussagekraft in Hinblick auf Rezidiv- und Heilungsrate sich dahinter verbergt. Man geht u.a. davon aus, dass in einem Gebiet ("Feld") sich mindestens eine Stammzelle befindet, die im Verlauf Mutationen bzw. genetischen Veränderungen zum Opfer fällt. Diese mutierten Zellen flüchten sich aus dem Zyklus des physiologischen Wachstums und gewinnen, im Gegensatz zu den nicht veränderten Zellen, rasch an Größe (sog. "growth advantage"). Durch die rasche Expansion werden die benachbarten, lateralen Areale in Besitz genommen, was zu einer lokalen Ausbreitung und zur Ausbildung von Konglomeraten ("clustern") der mutierten Zellen führt. Die Expansion geht zu Lasten des physiologisch bestehenden Gewebes. Parallel zu diesem Vorgang kommt es weiterhin zu genetischen Veränderungen und Mutationen in diesem Gebiet, beispielsweise durch UV-Strahlungen. Man nimmt somit an, dass veränderte Zellen sich in unterschiedlichen Stadien befinden und so schließlich wie ein Minenfeld ein ganzes Areal besetzen können (sog. "ticking bomb"). Je höher die Anzahl der veränderten Zellen, desto höher auch die karzinogene Potenz. Diese theoretische Vorstellung der Karzinogenese wirft im klinischen Alltag weitere Fragen auf: Wenn nach vorausgegangener Therapie im gleichen Areal ein weiterer Tumor auftritt, bleibt ungeklärt, ob es sich hierbei um ein Rezidiv oder um einen unabhängigen, zweiten Tumor handelt (sog. "second field tumor"). Diese Diskriminierung impliziert wichtige therapeutische Konsequenzen. Conclusio: Die Existenz von präneoplastischen Zellen in einem Areal erhöht dramatisch das Risiko für das Voranschreiten der Karzinogese. Engmaschige klinische Verlaufskontrollen minimieren das Risiko.
Feldkanzerisierung bei der aktinischen Keratose: Hautveränderungen treten bevorzugt in UV-exponierten Gebieten auf. Häufig wird ein multiples Auftreten registriert. Histologisch zeichnen sich die aktinischen Keratosen durch eine Vermehrung basaler Keratinozyten ("Crowding"-Phänomen) und den Nachweis einzelner atypischer Keratinozyten in der basalen Zone aus. Auch in höheren Epidermislagen lassen sich solche atypischen Zellen nachweisen. Die Existenz von veränderten Keratinozyten mit unterschiedlichen Graduierungen in einem Areal wird hierbei auch als Feldkanzerisierung bezeichnet. In einer Studie, in der mehr als 1000 Plattenepithelkarzinome aus sonnenexponierter Haut histologisch untersucht wurden, zeigten sich in der Peripherie in fast 100% der Fälle histopathologische Veränderungen im Sinne von aktinischen Keratosen.
Literatur
- Braakhuis BJ et al. (2003) A genetic explanation of Slaughter's concept of field cancerization: evidence and clinical implications. Cancer Res 63: 1727-1730
- Diepgen TL et al. (2015) Minderung der Erwerbsfähigkeit bei BK 5103 „ Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung „ Dermatologie in Beruf und Umwelt 63: 3-7
- Slaughter DP et al. (1953) Field cancerization in oral stratified squamous epithelium; clinical implications of multicentric origin. Cancer 6: 963-968