Salicylatintoleranz T 88.6; T88.7
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Hirschberg, 1902
Definition
Weltweit zunehmende Intoleranzreaktion auf Salicylate und/oder Acetylsalicylsäure.
Ätiopathogenese
1902 beschrieb Hirschberg erste anaphylaktioide Reaktionen nach Einnahme von ASS. Derartige Intoleranzreaktionen werden auch auf Salicylate aus der Nahrung und auf andere nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) beschrieben.
Durch die Inhibition der Cyclooxygenase Typ I (COX I) wird die Synthese von regulierenden und antiinflammatorischen Prostaglandinen des Typs PEG2 eingeschränkt. Infolge des Mangels von PEG2 und einer Überexpression der Cysteinyl-Leukotrien-Synthase resultiert ein Überangebot an proinflammatorisch wirkenden Leukotrienen. Über eine erhöhte Anzahl von Leukotrien-Rezeptoren an Mastzellen und Granulozyten kommt es zu einer massiven Freisetzung von Entzündungsmediatoren mit anaphylaktoiden Folgeerscheinungen. S.a. NSAR-Überempfindlichkeit.
Klinisches Bild
Klinisches Korrelat sind das intrinsischen Asthma bronchiale, eine chronische Rhinosinusitis (häufig mit Polyposis nasi), chronische Urtikaria, gegebenenfalls mit Angioödem und Gastroenteropathie.
Therapie allgemein
- Alternativ zur erfolgten oralen Aufdosierung kann eine i.v. Provokation (unter stationären Bedingungen) durchgeführt werden.
- Die Patienten erhalten eine Infusion von 250 ml Kochsalz Lösungen mit 500 mg Lysin-in-Acetylsalicylsäure. Applikation der Lösung über einen Infusionsautomaten mit einer Flussrate von 125 ml/h, entsprechend einer Acetylsalicylsäuremenge von 250 mg/h.
- Intoleranz Reaktionen während der i.v. Provokation sind bei rund 50 % der Patienten zuerst nasal, bei 30 % pharyngeal, bei 20 % kutan und bei 5 % pulmonal zu erwarten.
- Die nasale Erstreaktion wird nach einer Infusionsmenge von 17o-250 mg beobachtet. Die pharyngeale Reaktionen ist nach einer Infusionsmenge von 170-260 mg Acetylsalicylsäure zu erwarten.
- Wichtig: Nach Abschluss der Provokation sind bei 2% der Patient eine primäre Spätreaktion zu erwarten, bei rund 15% eine sekundäre Spätreaktion (schubartige Verschlechterung der während der Provokation beobachteten Akutsymptome).
- Bei einer i.v. Applikation beträgt die Halbwertszeit für die zirkulierende Acetylsalicylsäure etwa 15 Minuten (gute Steuerbarkeit der Intoleranzreaktion möglich).
- Umgerechnet in Zeiteinheit sind bei der i.v. Provokation erste Reaktionen 38 min. nach Beginn der Infusion zu beobachten.
Hinweis(e)
- Basierend auf den oben beschriebenem Pathomechanismus wurde eine kausale Behandlung der Salicylat-Intoleranz durch die tägliche Gabe von ASS nach kontrollierter Aufdosierung entwickelt. Diese Therapie in Form einer adaptiven Desaktivierung stellt zur Zeit die einzige kausale Behandlungsmöglichkeit bei der Salicylat-Intoleranz da.
- Orale auf Dosierung: Beginn mit 20-30 mg Acetylsalicylsäure. Aufdosierung in 4-5 Dosierungsschritten bis 100 mg und 7-10 Dosierungsschritte bis zur Maximaldosierung von 300 mg in Europa (USA: 325-1300 mg).
- Nach erfolgter auf Dosierung werden in Europa im Regelfall Erhaltungsdosen von 100-300 mg Acetylsalicylsäure pro Tag von den betroffenen Patienten weiter eingenommen. (Dosierungen in USA: 325-1300 mg ASS pro Tag).
Literatur
- Hirschberg A (1902) Mitteilung über einen Fall von Nebenwirkungen des Aspirin.Dtsch Med Wochenschrift 28: 416-417
- Mühlmeier G et al. (2014) Bestimmung organbezogener Schwellenwerte bei ASS/Salicylat-Intoleranz durch intravenöse Provokation. Allergo J 22: 252-258
- Wöhrl S (2018) NSAID-Überempfindlichkeit. Allergo J Int 27: 114-121