Alpha-Galactose-SyndromT78.2

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Alpha-Galactose-Syndrom; Alpha-Galaktose-Syndrom; Alpha-Gal-Syndrom; Fleischallergie; Fleischallergie vom verzögerten Typ

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Definition

Verzögerte Soforttypallergie auf das Disaccharid Galactose-alpha-1-3-Galactose (Alpha-Gal), ein terminales Glykoylierungsmotiv in Glykoproteinen und Glykolipiden von Säugetierzellen und Säuegtiergeweben. Bei höheren Primaten so auch beim Menschen wird dieses Glykosidmotiv evolutionsbedingt nicht mehr exprimiert. 

Das Alpha-Gal-Syndrom stellt eine neue Klasse von Nahrungsmittelallergien dar. Es wird zu den Summationsanaphylaxien gerechnet. Die Symptome treten als dosis- und kofaktorabhängiges Schwellenphänomen auf (Kofaktoren können Anstrengungen, nichtsteroidale Antiphlogistika, Alkohol, Stress und  Infektionen sein). Es kommt demnach nicht nach jedem Allergenkontakt zu anaphylaktischen Reaktionen. sondern nur in der Summation veschiedener Kofaktoren.

Typisch ist die Latenz der allergischen Reaktion von mehreren Stunden (Ursache: der notwendige Verdauungsprozesses des Fleisches bei dem Alpha-Gal erst freigesetzt wird), die bis zu mehreren Stunden betragen kann. Allergische Sofortreaktionen treten nur bei intravenöser Applikation von alpha-Galaktose-haltigen Medikamenten (Cetuximab, Gelatine-haltige Kolloidlösungen z.B. Gelafundin®) auf.

 

Ätiopathogenese

Alle Säugetiere, ausser Mensch und Altweltaffen, exprimieren das Disaccharid Galactose-alpha 1,3-Galactose (alpha-Gal), das mit Proteinen und versch. Lipiden glykosidisch verbunden ist. Das alpha-Gal-Epitop ist bei Vögeln, Reptilien und Fischen nicht vorhanden. 

Zeckenbisse als Co-Faktor: Die Prävalenz der Sensibilisierung gegenüber alpha-Gal ist regional sehr unterschiedlich. Sie betrug z.B. in versch. US Staaten (z.B. Arkansas, Tennessee, North Carolina) bis zu 20% (hohe Zeckenbesiedlung). Hingegen liegt in Kalifornien die Rate < 1%.  Somit wird ein lokaler Umweltfaktor postuliert. Einer dieser Faktoren wird in dem amerikanischen Kollektiv in Stichereignissen durch die Zecke Amblyomma americanum vermutet (enthält alpha-Glactose-haltige Speichelprodukte). Klinisch werden Antikörper  gegen alpha-Galactose dann vermutet wenn eine starke und langzeitig persistierende (>14 Tage) inflammatorische Reaktion nach Zeckenstichen auftritt. Offenbar scheint der Faktor "Zeckenstich" auch in europäischen Kollektiven eine Rolle zu spielen (s. Kasuistik).

Blutgruppen O und A als Risikofaktor (?):  Ein weiterer Risikofaktor scheint die Blutgruppenzugehörigkeit zu sein. So ergab eine Untersuchung (Cabezas-Crus A et al. 2017), dass Menschen mit der Blutgruppe B weniger alpha-Gal-IgE-Antikörper produzieren als Menschen anderer Blutgruppen. Sie sind offenbar immuntoleranter als Menschen mit den Blutgruppen 0 und A. Als Erklärung wird angeführtr, dass das Blutgruppen-B-Antigen eine fukosylierte Galactose-alpha-1,3-Galactose Struktur enthält.

 

Klinisches Bild

Übelkeit, Diarrhö, Erbrechen; intermittierende Urtikaria evtl. Angioödeme. Schwere Anaphylaxien nach intravenöser Applikation alpha-Galaktose-haltiger Medikamente (s.zuvor) möglich. 

Diagnose

Klinik: Patienten, die seit Jahren an unerklärten anaphylaktischen Reaktionen auf Säugetierfleisch (s.u. Fleischallergie), Gelatine, evtl. Milch (nicht aber auf Geflügel und Fische) leiden.

Latenzzeit von mehreren Stunden zwischen Fleischverzehr und allergischen Symptomen.

Anaphylaktische Reaktion bei der intravenösen Applikation von Cetuximab.

Serologischer Nachweis von Antikörpern gegen Alpha-Gal.

Positiver Prick-oder Intradermaltest in einem Alpha-Galactose-haltigen Protokoll (Gelafundin®).

Reibetest (oder Prick-zu Prick-Test) mit roten Fleichsorten verläuft negativ!   

Expositionstest unter klinischer Kontrolle. 

Hinweis(e)

Alpha-Galaktose-sensibilisierte Patienten können auf die intravenöse Applikation von Cetuximab mit einer schweren Anaphylaxie reagieren. Cetuximab wird in Säugetierzelllinien (v.a. Maus, Hamster) produziert. Bei der Antikörperproduktion kann es zu einer Glykolisierung durch alpha-Gal am Fab-Ende der schweren Kette des chimären monoklonalen Antikörpers kommen. Hierdurch entsteht die Allergenität. Für andere chimärische Antikörper wie Rituximab wurde die Expression von Alpha-Gal bisher nicht nachgewiesen.

Alpha-Galactose in weiteren Medikamenten: Alpha-Galactose wird in Gelatine-haltigen Kolloidlösungen gefunden (diese können zur Intradermaltestung genutzt werden (Gelafundin®). Weiterhin findet sich Alpha-Galaktose in veschiedenen Impfstoffen mit tierischen Inhaltsstoffen vom Rind oder Schwein (BCG-Medac ®Instillation, Rapipur®-Tollwutimpfstoff,  Repavex®, Varilrix®, Varivx®, Zostavax®  (Wedi R 2017).

Alpha-Galaktose in Medizinprodukten:  tierische Herzklappen

Alle Säugetiere, ausser Mensch und Altweltaffen, bilden  alpha-Gal. Das Alpha-Gal-Epitop ist bei Vögeln, Reptilien und Fischen nicht vorhanden (ihr Fleisch kann von den Allergikern verzehrt werden)

 

Fallbericht(e)

Anamnese: Ein 65 Jahre alter Patient, der viele Jahre als Jäger aktiv war, berichtet seit einigen Jahren über tägliche Übelkeit, Diarrhö und intermittierende Urtikaria. Die Symptomatik beginne schon in den frühen Morgenstunden. Regelmäßig träten sie jedoch einige Stunden nach den Mahlzeiten auf. Bei erhöhter körperlicher Anstrengung träten die Symptome verstärkt und frühzeitiger auf. Er verzichte deswegen schon auf seinen Mittagsspaziergang.

Seit vielen Jahren vermeide er Milch und Innereien. Bei Milchkonsum verspüre er Übelkeit. Bei Innereien seien mehrfach anaphylaktische Reaktionen aufgetreten.

Als Jäger sei er regelmäßig durch Zecken gestochen worden. Zuletzt sei ihm aufgefallen, dass die Lokalreaktionen der Zeckenstiche zunehmend stärker ausgefallen seien; sie persistierten, im Gegensatz zu früher, meist länger als 14 Tage. 

Serologie: IgE: 130 IU/ml; positive Reaktionen auf alpha-Gal (CAP Kl.3), Rindfleisch (CAP Kl.3), Schweinefleisch (CAP Kl.2) sowie  Milch (CAP Kl.2) nachweisbar. Mit den Gesamtextrakten konnte keine Sensibilisierung nachgewiesen werden. Pricktestung: positive Raktion auf Cetuximab. 

Therapie: Eliminationsdiät (rote Fleichsorten, Gelatine-haltige Lebensmittel, Milchprodukte). Erlaubt waren Geflügel- und Fischsorten. Darunter komplett erscheinungsfrei.  

 

Literatur

  1. Arkestål K et al. (2011) Impaired allergy diagnostics among parasite-infected patients caused by IgE antibodies to the carbohydrate epitope galactose-a1,3–galactose. J Clin Immunol 127:1024–1028.
  2. Cabezas-Cruz A et al.(2017) Prevalence of type I sensitization to alpha-gal in forest service employees and hunters: Is the blood type an overlooked risk factor in epidemiological studies
    of the α-Gal syndrome? Allergy 72:2044-2047.
  3. Chung CH et al. (2008) Cetuximab-Induced Anaphylaxis and IgE Specific for Galactose-alpha-1,3- Galactose. New Engl J Med 358:1109–1117.
  4. Commins S et al. (2009) Delayed anaphylaxis, angioedema, or urticaria after consumption of red meat in patients with IgE antibodies specific for galactose-alpha-1,3-galactose. Journal of Allergy and Clin Immunol. 123:426–433.
  5. O´Neil B et al.(2007) High incidence of cetuximab-related infusion reactions in Tennessee and North Carolina and the association with atopic history. Journal of Clin Oncol 25:3644–3648.
  6. Soemantri P et al (2014) Verzögerte Anaphylaxie nach Säugetierfleisch. Allergo J Int 23:59
  7. Wedi B (2017) Alpha-Gal  in Therapeutika. Hautarzt 68: 246-247
  8. Weins AB et al.(2016) Besonderheiten in Diagnostik und Mangement des alpha-Gal-Syndroms. Allergo J int 25: 251-255
  9. Wolver S et al.(2012)  A Peculiar Cause of Anaphylaxis:No More steak?: The Journey to Discovery of a Newly Recognized Allergy to Galactose-alpha-1,3–galactose Found in Mammalian Meat.  J Gen Int Med 28:322-325.

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