Listeriose (Übersicht)

Zuletzt aktualisiert am: 03.10.2024

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Erstbeschreiber

Im Jahr 2015 gab es in der Bundesrepublik Deutschland einen großen Ausbruch von Listeriose Gastroenteritis in 6 Gemeinschaftseinrichtungen (144 Kinder und 10 Personal) in Paderborn.

Definition

Bakterien der Gattung Listeria (L.) sind weltweit verbreitete, grampositive, bewegliche, nicht­sporen­bildende, katalasepositive und fakultativ anaerobe Stäbchen. Sie zeichnen sich durch eine Beweglichkeit bei 200C, nicht jedoch bei 370C aus. Listerien sind in der Umwelt weit verbreitet und können im Erdreich, im Wasser, auf Pflanzen vorkommen. Listeria monocytogenes, der umanmedizinische wichtigste Vertreter der Gattung Listeria, sezerniert Listeriolysin O, ein porenbildendes Toxin. Auf bluthaltigen Nährböden ruft dieses Toxin die β-Hämolyse hervor, anhand derer man virulente von avirulenten Stämmen unterscheiden kann (dies hat jedoch keine praxisrelevante Bedeutung -Hof H 2019). 

Einteilung

Die Gattung Listeria (sensu stricto) umfasst 6(7) Arten, von denen aber nur L. monocytogenes,  und in  sehr geringem Umfang L. seeligeri und L. ivanovii humanpathogen sind:

  • L. monocytogenes: weitaus bedeutendste human­patho­gene Spezies. L. monocytogenes lässt sich in 13 Serovare subdifferenzieren (Serotypie), von denen v.a. die Serovare 4b, 1/2a und 1/2b mit Erkrankungen des Menschen assoziiert sind.
  • L. seeligeri: bisher nur bei wenigen menschlichen Erkrankungen nachgewiesen.
  • L. ivanovii: bisher nur bei wenigen menschlichen Erkrankungen nachgewiesen.
  • L. innocua: meist apathogene Spezies
  • L. welshimeri: apathogene Spezies
  • L. murrayi (syn. L. grayi): apathogene Spezies
  • L. rocourtiae: neubeschriebene Spezies, bislang keine Hinweise auf Humanpathogenität.

Allgemeine Information

Vorkommen: Das jährliche Vorkommen von Fällen von invasiver Listeriose (A32.-) in der Bundesrepublik Deutschland schwankt zwischen 300 und 600 Fällen pro Jahr. Schwangerschaftassoziierte Listeriosen betreffen 10% aller Listeriose-Meldefälle (sowohl Mutter als auch Neugeborenes).

Infektionsweg: Die Listeriose ist prinzipiell eine lebensmittelbedingte Infektionskrankheit. Listerien können bei einer Vielzahl tierischer Lebensmittel (Geflügel, Fleisch, Fleischerzeugnisse wie z.B. Wurst, Fisch, Fischerzeugnisse (v.a. Räucherfisch), Milch und Milchprodukte (v.a. Käse) gefunden werden.  Listerien werden nicht selten auch auf pflanzlichen Lebensmitteln vorgefunden, z.B. auf vorgeschnittenen Salaten. Neben einer Kontamination des Ausgangsmaterials können Listerien aber auch in lebensmittelverarbeitenden Betrieben gefunden werden. Bei der Listeriose einer Schwangeren bzw. ihres Kindes erfolgt die Infektion während der Schwangerschaft (transplazentar), während der Geburt bei Durchtritt durch den Geburtskanal oder postnatal durch Kontakt. Für abwehrgeschwächte Patienten in Krankenhäusern besitzen Listerien als Erreger seltener nosokomialer Infektionen Bedeutung.

Manifestation

Die nicht-schwangerschaftsassoziierten invasiven Listeriosen betreffen v.a. Personen > 50 Jahre und v.a. immunsupprimierte Personen. Männer > Frauen. Die Krankheit ist bei 30% der Infizierten ZNS-Beteiligung (v.a. Meningitis) und bei 30% der Infizierten mit einer Sepsis assoziiert.

Klinisches Bild

Inkubationszeit: bei gastrointestinaler Symptomatik wenige Stunden bis zu sechs Tage; bei septischem Verlauf 1-12 Tage, bei neuroinvasiven Manifestationen 1-14 Tage. Bei schwangerschaftsassoziierten Fällen kann von einer Inkubationszeit von 17-67 Tage ausgegangen werden.

Die Infektion mit Listerien führt meist nur zu einer lokalen Besiedlung des Intestinaltraktes. Bei immunkompetenten Menschen kommt es selten zu einer Infektion. Diese verläuft häufig nur als leichte, wenig charakteristische, selbstlimitierende, fieberhafte Gastroenteritis, u.a. mit Erbrechen und Durchfall.

Die Gefahr einer manifesten ernsthaften Erkrankung besteht hauptsächlich für abwehrgeschwächte Personen wie Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen  oder immunsuppressiver Therapie (z.B. Tumorpatienten,Transplantierte) sowie bei Schwangeren. In sehr seltenen Fällen kann es zur Sepsis kommen, die von einer Sepsis anderer Genese nicht unterschieden werden kann.

ZNS-Beteiligungen: Im Rahmen einer Bakteriämie kann es zu einer eitrigen Meningitis kommen. Sehr selten ist eine Enzephalitis mit diversen neurologischen Ausfällen (Ataxie und/oder Bewusstseinsstörung). Grundsätzlich kann im Verlauf einer Listeriose jedes Organ befallen (Arthritis, Endokarditis oder Konjunktivitis, eitrige Dermatitis).

Nach Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminiertem Erdboden kann es zum Auftreten von lokalen papulösen oder pustulösen Hautläsionen kommen (s.u. Listeriose der Haut)

Bei Schwangeren verläuft die Erkrankung in der Regel unter einem relativ unauffälligen grippeähnlichen Bild oder zum Teil sogar symptomfrei. Die Gefahr einer intrauterinen Infektion zunächst der Plazenta und dann des ungeborenen Kindes ist gegeben. Es kann zu einer Früh- oder Totgeburt kommen (Craig AM et al. 2019) .

Bei der neonatalen Listeriose werden:

  • eine Frühinfektion (konnatale Listeriose: Auftreten der Symptomatik in der 1. Lebenswoche)
  • und
  • eine Spätinfektion (Auftreten der Symptomatik ab der 2. Lebenswoche)

unterschieden. Die Frühinfektion ist durch Sepsis, Atemnotsyndrom und Hautläsionen gekennzeichnet (Granulomatosis infantiseptica). Säuglinge mit einer Spätinfektion werden meist zum regulären Termin geboren und nehmen den Erreger auf, während sie den Geburtskanal passieren. Sie erkranken häufig an einer Meningitis.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit: Infizierte Personen können den Erreger über den Stuhl für mehrere Monate ausscheiden. Bei Müttern von infizierten Neugeborenen sind die Erreger in Lochialsekreten und Urin bis etwa 7–10 Tage nach der Entbindung nachweisbar, selten länger.

Labor

Labordiagnostik in der Humanmedizin: Ein Erregernachweis kann aus Blut, Liquor, Eiter, Vaginalsekret, Lochien, Stuhl, Mekonium oder autoptischem Material erfolgen. Die Art des kulturellen Nachweises richtet sich nach der zu erwartenden Begleitflora in der Probe (direkter kultureller Nachweis bzw. Anzucht des Erregers nach Anreicherung). Die erreger sind anspruchlos und wachsen auf den üblichen Nährböden. Auf Blutagar ist meist eine schwache Hämolyse zu sehen. Listerien verursachen zwar febrile Gastroenteritiden, sie werden aber auch bei bis zu 5% gesunder Personen im Stuhl gefunden.

Die angezüchteten Stämme (auf Schafblutagar Morphologie ähnlich Gruppe-B-Streptokokken, grampositive evtl. scheinbar gramlabile, z.T. kokkoide Stäbchen) werden gegenüber anderen Listeria-Spezies durch den positiven CAMP-Test und weiterführende biochemische Untersuchungen abgegrenzt. MALDI-TOF-Massenspektrometer erlauben ebenfalls eine Speziesbestimmung, die aufgrund der Tragweite der Diagnose durch herkömmliche Methoden abgesichert werden sollte.

Ein Nachweis von Listerien in klinischem Untersuchungsmaterial ist auch mittels PCR möglich und hilfreich, falls ein kultureller Nachweis nicht mehr gelingt (z.B. nach antibiotischer Vorbehandlung). Die molekularbiologische Feintypisierung von Listerien ist für epidemiologische Fragestellungen wichtig und dient der Aufklärung von Infektketten und von Zusammenhängen zu verdächtigen Lebensmitteln. Zurzeit wird die höchste Auflösung der Klonalität der Isolate durch die „whole genome sequencing (WGS)“ und „core genome multi locus sequence typing (cgMLST)“ oder „SNP calling“ erzielt (Bemerkung: alle L. monocytogenes-Isolate sollten an das Binationale Konsiliarlabor für Listerien nach Wien oder an das Fachgebiet 11 „Bakterielle Infektionen“ des RKI gesendet werden, wo ein Abgleich der L. monocytogenes-Isolate mit einer Datenbank erfolgt, um Krankheitsausbrüche frühzeitig zu entdecken und mögliche Zusammenhänge zu kontaminierten Lebensmitteln herzustellen).

Therapie

Als Medikament der ersten Wahl ist Amoxicillin oder Ampicillin hochdosiert, kombiniert mit einem Aminoglykosid. In zweiter Linie ist Cotrimoxazol zu empfehlen.

Alternative Medikamente werden kontrovers diskutiert (z.B. Moxifloxacin, Makrolide, Linezolid).

Therapiedauer: mindestens 3 Wochen, bei ZNS-Beteiligung 6 Wochen, bei Endokarditis 4–6 Wochen. Antibiotikaresistenz spielt bei Ampicillin, Gentamicin und Cotrimoxazol derzeit praktisch keine Rolle, so dass die Therapieentscheidung vor dem Vorliegen des Antibiogramms sicher gestellt werden kann. Mangelhaftes Ansprechen auf die Therapie ist trotzdem nicht selten und auf die intrazelluläre Lebensweise des Erregers, die Immunsuppression bei vielen Patienten und die schwierige, oft späte Diagnose zurückzuführen. Trotz gezielter Therapie besteht eine relativ hohe Letalität der manifesten Listeriose (in den letzten Jahren verliefen etwa 21% der Listerien-Septikämien und 13% der Listerien-Meningitiden tödlich).

Therapie allgemein

Präventive Maßnahmen: Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen: Listeria monocytogenes werden vor allem in nicht erhitzten vom Tier stammenden Lebensmitteln gefunden. Lebensmittel, insbesondere vakuumverpackte Lebensmittel, sollten möglichst zügig nach Einkauf und weit vor Ablauf der angegebenen Mindesthaltbarkeit verbraucht werden. Vakuumverpackung und Kühlschranklagerung schützen nicht, wie bei anderen Lebensmittelinfektionserregern, vor einer Vermehrung der Listerien. Im Gegenteil, bei langen Lagerzeiten kann es hierdurch zu einer selektiven Vermehrung der Listerien kommen.

Risikogruppen, insbesondere Schwangere und Patienten mit schweren Grunderkrankungen bzw. Immunsuppression, sollten auf den Verzehr folgender Lebensmittel verzichten: Rohfleischerzeugnisse (z.B. Hackfleisch) und Rohwurst (z.B. Salami), roher Fisch sowie geräucherte und marinierte Fischerzeugnisse, vorgeschnittene verpackte Blattsalate (Blattsalate selbst frisch zubereiten), Rohmilchweichkäse.

In den letzten Jahren kam es in Deutschland und Österreich zu zwei großen Krankheitsausbrüchen durch Sauermilchkäse (Harzer Käse/Quargel), der aus pasteurisierter Milch hergestellt wurde. Das Infektionsrisiko im Zusammenhang mit dem Verzehr von Weich- und Sauermilchkäsen, die aus pasteurisierter Milch hergestellt wurden, ist nicht abschließend zu bewerten. Ein vorsorglicher Verzicht auf deren Verzehr ist aber für Risikogruppen ebenfalls sinnvoll.

Impfprophylaxe: Eine Impfprophylaxe gegen Listeriose ist nicht verfügbar. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen: Eine Isolierung Betroffener ist nicht erforderlich. Eine Ausnahme können Wöchnerinnen nach der Geburt eines an Listeriose erkrankten Kindes darstellen. Hier sind nosokomiale Übertragungen auf geburtshilflichen Stationen beschrieben.

Maßnahmen bei Ausbrüchen: Das zuständige Gesundheitsamt muss im Rahmen der Meldepflicht über auftretende Listeriosen unterrichtet werden, um Ausbrüche frühzeitig erkennen und Maßnahmen zu deren Eindämmung einleiten zu können.

Bei Verdacht auf Lebensmittelinfektionen sollte unbedingt eine Zusammenarbeit mit den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden erfolgen. Nach Möglichkeit sollten Lebensmittel aus Kühlschränken der Patientenhaushalte asserviert und durch das zuständige Lebensmitteluntersuchungsamt untersucht werden.

Hinweis(e)

Gesetzliche Grundlage (Meldepflicht gemäß IfSG): Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte Nachweis von Listeria monocytogenes aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.

Literatur

  1. Chen S et al. (2020) Epidemiology of Human Listeriosis in China During 2008-2017. Foodborne Pathog Dis 17:119-125. 
  2. Craig AM et al. (2019) Listeriosis in Pregnancy: A Review. Obstet Gynecol Surv 74:362-368.
  3. Fan Z et al. (2019) Listeriosis in mainland China: A systematic review. Int J Infect Dis 81:17-24. 
  4. Godshall CE et al. (2013) Cutaneous listeriosis. J Clin Microbiol 51:3591-3596.
  5. Hof H et al. (2019) Oralstreptokokken. In: Hof H, Schlüter D, Dörries R, eds Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 7th, completely revised and expanded edition. Stuttgart: Thieme S 346 
  6. McLauchlin J et al. (1994) Primary cutaneous listeriosis in adults: an occupational disease of veterinarians and farmers. Vet Rec 135:615-617.
  7. Moppert J (1961) Listeriosis. An additional observation on granulomatosis infantiseptica in Switzerland]. Schweiz Med Wochenschr 91:784-786
  8. Regan EJ et al. (2005) Primary cutaneous listeriosis in a veterinarian. Vet Rec 157:207.
  9. Zelenik K et al. (2014) Cutaneous listeriosis in a veterinarian with the evidence of zoonotic transmission--a case report. Zoonoses Public Health 61:238-241.

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