Tako-Tsubo CMI42.88
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Im Jahre 1990 beschrieben in Japan H. Sato et al. erstmals die Ballonierung der Herzspitze kombiniert mit einem linksventrikulären Bewegungsmuster als eine sog. Tako- Tsubo- Kardiomyopathie. (Takotsubo bezeichnet die japanische Oktopusfalle) (Merchant 2008). Erst 2005 wurde das bis dahin benigne Bild einer TC von Donohue und Movahed ausgeräumt. (Donohue 2005).
Schneider versuchte 2006, die Erkrankung in Deutschland zu quantifizieren (Solf 2017).
Definition
Unter einer Tako- Tsubo- Kardiomyopathie (TC) versteht man eine reversible endsystolische (Stierle 2017) linksventrikuläre Dysfunktion mit überwiegend apikal lokalisierter Bewegungsstörung.
Vorkommen
Die TC stellt mit 2 % aller akuten Koronarsyndrome eine selten vorkommende Erkrankung dar. Sie tritt überwiegend (90 %) bei Frauen auf.
Bei Patienten mit Phäochromozytom ist das Risiko einer TC erhöht. Auch werden auf Grund einer familiären Häufung eine genetische Disposition und / oder eine infektiöse Ätiologie vermutet (Solf 2017 / (Reeder 2019). Bei bis zu 47 % der Patienten findet sich eine neurologische bzw. psychiatrische Erkrankung in der Vorgeschichte (Pinger 2019).
Ätiologie
Es handelt sich um eine Funktionsstörung des autonomen Nervensystems (Stierle 2017), die durch emotionalen und / oder psychischen Stress (Herold 2020), postoperativ nach großen Eingriffen oder durch ein Schädelhirntrauma ausgelöst wird und wahrscheinlich koronare Vasospasmen auslöst (Solf 2017).
Pathophysiologisch handelt es sich um eine Sonderform einer regional begrenzten Kardiomyopathie (Stierle 2017), dessen Pathophysiologie weitgehend unzureichend geklärt ist. Sicher scheint eine Katecholamin- vermittelte Kardiotoxizität (Pinger 2019).
Manifestation
Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei über 60 Jahren . Es betrifft in 81 % postmenopausale Frauen (Pinger 2019). In Studien fand sich bei Östrogenmangel ebenfalls eine höhere Inzidenz (Komamura 2014).
Klinisches Bild
Bei einer TC tritt das Bild eines akuten Koronarsyndroms in bis zu 88 % (Pinger 2019) auf mit:
- thorakalen Schmerzen
- Dyspnoe (10 % bis 50 % [Pinger 2019])
- Synkopen (3 % bis 4 % [Pinger 2019])
- Asystolie (1 %)(Pinger 2019)
- Tachyarrhythmien bis hin zum Kammerflimmern
- Bradyarrhythmien (Reeder 2019)
Bildgebung
Diagnostik
Auskultation
- mitunter 3. Herzton auskultierbar (Herold 2020)
EKG
- temporäre ST- Streckenhebung (Minuten bis Tage anhaltend)
- fehlende Veränderung der Q- Zacken
- T- Wellen Inversion (bei bis zu 38 % [Pinger 2019])
- Verlängerung der QT- Zeit (Reeder 2019)
Labor
- typisch – aber nicht zwingend notwendig – ist eine deutliche Erhöhung der Katecholamine (Reeder 2019)
- Anstieg des Troponins (meistens zwischen 0,8 – 14,8 ng / ml [Pinger 2019])
- CK- MB zeigt allenfalls einen leichten Anstieg (Herold 2020)
- im apikalen Bereich der Hinterwand reversible Störungen der Wandbewegung des linken Ventrikels (Stierle 2017).
- konsekutive Ausbildung eines SAM- Phänomens = systolic anterior motion im M- Mode möglich (das vordere Mitralsegel bewegt sich in der Systole vorwärts [Piper 2013])
- subaortale Obstruktion
- reduzierte Ejektionsfraktion (Herold 2020)
Kardio- MRT:
Eine Kardio- MRT kann bei der Diagnostik hilfreich sein, besonders wenn echokardiographisch keine eindeutige Diagnose zu stellen ist oder bei einer koexistierenden koronaren Herzkrankheit. Typische Befunde sind:
- kein late enhancement (wichtig zur differentialdiagnostischen Abgrenzung eines Myokardinfarktes bzw. einer Myokarditis [Reeder 2019])
- Ödem bei bis 81 % in den Bereichen der Wandbewegungsstörung nachweisbar (Pinger 2019)
- bei bis zu 26 % finden sich zusätzlich Wandbewegungsstörungen des rechten Ventrikels mit weiteren Veränderungen:
- Pleuraerguss (67 % vs 8 % bei ausschließlich linksventrikulärer Störung; Sensitivität 67% und Spezifität 92% [Haghi 2006])
- die linksventrikuläre Auswurffraktion ist signifikant niedriger (Reeder 2019)
Herzkatheter
Bei V. a. eine Erkrankung der Koronarien, sollte eine Koronarangiographie durchgeführt werden. Hierbei stellen sich die Koronarien durch die TC völlig unauffällig dar (Herold 2020). Es finden sich aber bei ca. 15,3 % der Patienten zusätzlich Zeichen einer koronaren Herzkrankheit (Reeder 2019).
Differentialdiagnose
- Myokarditis (Muster der Wandbewegung differiert meistens; kardiovaskuläres MRT hilfreich)
-
Akutes Koronarsyndrom:
- koronare Herzkrankheit
- kritische Koronarstenose
-
hypertrophe Kardiomyopathie (HOCM)
- Kokain- induziert (z. B. Anamnese, toxikologische Tests)
- Phäochromozytom (Hyperhidrosis, Tachykardie, Kopfschmerzen, Hypertonie etc.)(Reeder 2019)
- Ösophagusspasmus
- gastroösophageale Refluxkrankheit
- Aortendissektion
- akute Perikarditis
- Pneumothorax
- kardiogenes Lungenödem
- Lungenembolie
- Boerhaave- Syndrom (spontane Ösophagusruptur)
- Herztamponade
- kardiogener Schock
- dilatative Kardiomyopathie
(Komamura 2014)
Therapie
Eine evidenzbasierte Therapie der TC existiert bislang nicht. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Blockade des Renin- Angiotensin- Aldosteron- Systems (RAAS- Blockade) durch ACE- Hemmer mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert ist. Die Behandlung mit Beta- Blockern bleibt ohne Einfluss auf die Mortalität (Pinger 2019)
Die Therapie sollte – mit Ausnahme der nicht erforderlichen Re- Perfusion - der eines STEMI bzw. NSTEMI entsprechen (Stierle 2017). Die Herzinsuffizienz empfiehlt sich mit den üblichen Medikamenten (unter Vermeidung von Katecholaminen, da diese durch das Krankheitsbild bereits erhöht sind) zu behandeln (Herold 2020).
Prognose
Das Krankheitsbild bildet sich meistens rasch zurück und auch der Verlauf ist in den überwiegenden Fällen günstig. Bereits nach 1 Woche findet sich i. d. R. eine deutliche Verbesserung der systolischen Funktion. Bis zur vollständigen Genesung dauert es meistens zwischen 3 – 4 Wochen. Falls sich die systolische Funktion auch nach 12 Wochen nicht normalisiert hat, sollte die Diagnose TC angezweifelt werden (Komamura 2014).
Schwere Komplikationen finden sich bei 18,9 % der Patienten, wie z. B.:
- kardiogener Schock (10 %)
- Kammerflimmern (1,8 %)
- ventrikuläre Tachykardien (3,4 %) (Pinger 2019)
- Rezidive kommen treten in 1,8 % / Jahr auf
- nach 4 Jahren beträgt die Rezidivrate 11 %
- nach > 4 Jahren besteht eine normale Lebenserwartung (Pinger 2019)
- in 3,2 % kommt es in der Akutphase zu einem letalen Ausgang (Solf 2017)
- die Langzeit- Mortalität (Beobachtungszeitraum 3,8 Jahre) liegt laut einer Studie von Stiermaier (2016) mit 24,7 % signifikant höher als die eines Patienten mit STEMI (15,1 %).
Literatur
- Baybee K A et al. (2004) Systematic review: transient left ventricular apical ballooning: a syndrome that mimics ST-segment elevation myocardial infarction. Ann Intern Med 141: 858 - 865
- Donohue D et al. (2005) Clinical characteristics, demographics and prognosis of transient left ventricular apical balooning syndrome. Heart Fail Rev 10:311
- Haghi D et al. (2006) Right ventricular involvement in Takotsubo cardiomyopathy. Eur Heart J 20: 2433 - 2439
- Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag S 230
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 289 e3, 1456 – 1457
- Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag S 1777 – 1779
- Komamura K et al. (2014) Takotsubo cardiomyopathy: Pathophysiology, diagnosis and treatment. World J Cardiol 6: 602 - 609
- Lapp H et al. (2014) Das Herzkatheterbuch: Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken. Georg Thieme Verlag 200
- Merchant E E et al. (2008) Takotsubo Cardiomyopathy: A Case Series and Review of the Literature. West J Emerg Med 9: 104 – 111
- Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. S 128
- Reeder G S et al. (2019) Clinical manifestations and diagnosis of stress (takotsubo) cardiomyopathy. UpToDate Wolters Kluwer S 154
- Sato H Tateishi et al. (1990) Takotsubo type cardiomyopathy due to multivessel spasm. Clinical aspect of myocardial injury: from ischemia to heart failure. Kagaku Hyoronsha S 56–64
- Solf M A (2017) Psychoherzchirurgie: Krankheitsverarbeitung kardiochirurgischer Patienten. Springer Verlag S 6 - 7
- Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer 103 – 104
- Stiermaier T et al. (2016) Long-term excess mortality in takotsubo cardiomyopathy: predictors, causes and clinical consequences.EUR J Heart Fail 18: 650 - 656