Sialinsäure-SpeicherkrankheitE77.8
Synonym(e)
Definition
Die lysosomale Speicherkrankheit der freien Sialinsäure (FSASD) ist eine äußerst seltene, autosomal-rezessive, neurodegenerative Multisystemerkrankung, die durch Defekte im lysosomalen Sialinsäure-Membranexporter SLC17A5 (Sialin) verursacht wird.
Vorkommen/Epidemiologie
Die Krankheit ist allgemein sehr selten (Prävalenzen: <1 / 1 000 000), in Nord-Finnland dagegen ist etwa jeder Vierzigste ein heterozygoter Träger einer Mutation für SSD.
Ätiopathogenese
Ursächlich ist eine Mutation im SLC17A5-Gen, das auf Chromosom 6q14-q15 liegt. Mehrere Mutationen sind beschrieben worden. Nach dem enzymatischen Abbau von Glykoproteinen, Glykosaminoglykanen und Glykolipiden müssen die abgespaltenen Monosaccharide aus dem Lysosom abtransportiert werden. Die freie Sialinsäuren (synonym: Acylneuraminsäuren) werden über Anionentransporter aus dem Lysosom ausgeschleust. Ein Defekt im Anionentransporter Sialin führt zu einer Kumulation von toxischer Sialinsäure im Lysosom. Die Folgen sind bei einigen Zelltypen vergrößerte Lysosome und zu einer 10- bis 100-fach erhöhten Ausscheidung von freier Sialinsäure im Urin (Huizing M et al. 2021).
Manifestation
Das mittlere Alter bei Ausbruch der Krankheit betrug 0,17 Jahre. Das mittlere Alter bei Diagnose betrug 3 Jahre mit einer mittleren diagnostischen Verzögerung von 2,5 Jahren.
Klinisches Bild
Die Krankheit hat verschiedene Verläufe. Schwere Formen (ISSD: Infantile Sialinsäure-Speicherkrankheit) manifestieren sich pränatal mit Hydrops fetalis und Ascites, oder bei der Geburt mit Muskelhypotonie, Hepatosplenomegalie, oft verbunden mit Ascites, vergröberten Gesichtszügen, Knochenfehlbildungen, schweren Bewegungsstörungen, geistiger Retardierung und zerebralen Krämpfen. Diese schweren Formen führen in der frühen Kindheit zum Tod.
Die mittelschweren Formen (Salla-Syndrom), wie es aus Finnland beschrieben wurde, manifestiert sich im 1. Lebensjahr mit Muskelhypotonie. Mit dem Fortschreiten der Krankheit kommen Spastik, Ataxie, psychomotorische Retardierung und manchmal auch vergröberte Gesichtszüge hinzu. Die meisten Patienten erreichen mit schwerer geistiger Retardierung das Erwachsenenalter.
Labor
Die Labordiagnostik besteht im Nachweis einer vermehrten Ausscheidung von freier Sialinsäure im Urin und einer Speicherung in Fibroblasten, im Trophoblasten oder in Amnionzellen. Nur eine symptomatische Behandlung ist möglich.
Therapie
Es gibt keine zugelassene Therapie für FSASD.
Verlauf/Prognose
Die mittlere Überlebenszeit betrug 11 Jahre. Der biochemische Phänotyp sagte den Krankheitsverlauf eindeutig voraus: Patienten mit einer Ausscheidung freier Sialinsäure im Urin unter dem 6,37-fachen oder einer intrazellulären Speicherung freier Sialinsäure in Fibroblasten unter dem 7,37-fachen des Normalwerts überlebten länger als Patienten mit biochemischen Werten über diesen Schwellenwerten (Zielonka M et al. 2019).
Literatur
- Huizing M et al. (2021) FSASD Consortium. Free sialic acid storage disorder: Progress and promise. Neurosci Lett 755:135896.
- Leppanen P et al. (1996) A physical map of the 6q14-q15 region harboring the locus for the lysosomal membrane sialic acid transport defect. Genomics 37: 62–67.
- Mohammad AN et al. (2018) Type 1 sialidosis presenting with ataxia, seizures and myoclonus with no visual involvement. Mol Genet Metab Rep 15:11-14.
- Verheijen FW et al. (1999) A new gene, encoding an anion transporter, is mutated in sialic acid storage diseases. Nature Genet 23: 462–465.
- Zielonka M et al. (2019) A cross-sectional quantitative analysis of the natural history of free sialic acid storage disease-an ultra-orphan multisystemic lysosomal storage disorder. Genet Med 21:347-352