Schweinegrippe

Zuletzt aktualisiert am: 13.11.2024

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Synonym(e)

Porcine Influenza; Schweineinfluenza

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Erstbeschreiber

Die Schweinegrippe wurde erstmals 1918 beobachtet (Koen, 1918) und fiel mit der Influenzapandemie 1918–1919 beim Menschen zusammen. Influenzaviren als Ursache fieberhafter Atemwegserkrankungen bei Schweinen wurden bereits 1930 identifiziert. In Europa wurden zwischen 1918 und 1959 ebenfalls Ausbrüche der Schweinegrippe gemeldet (Lange et al. 2014). Nach diesen Episoden wurde das Virus fast 20 Jahre lang nicht mehr nachgewiesen. 1979 tauchte in der europäischen Schweinepopulation ein neues H1N1-Virus auf. Alle acht Gene waren eng mit den aviären H1N1-Viren verwandt, was auf eine Neusortierung und Übertragung von aviären Viren auf Schweine hindeutet (Krumbholz et al. 2014). Dieses „vogelähnliche“ A(H1N1)-Virus, das als „eurasische vogelähnliche 1C Linie“ bezeichnet wird, ersetzte das klassische Schweinegrippevirus in Europa und zirkuliert bis heute in Schweinen.

Seit 1984 wurden Ausbrüche der Schweinegrippe in Europa auch häufig mit H3N2-Viren in Verbindung gebracht, die antigenetisch mit menschlichen Stämmen aus den frühen bis mittleren 1970er Jahren verwandt sind. 1994 wurden weitere Reassortanten zwischen dem aviären Schweinegrippevirus H1N1 und dem humanen H3N2-Grippevirus entdeckt, was zur Etablierung humaner H1N2-Viren in europäischen Schweinen führte (Brown et al. 1998). Dreifach reassortierte H3N2-Schweineviren, die 1998 in den USA auftraten, trugen Gene der saisonalen menschlichen H3N2-Viren (HA, NA, PB1), der klassischen Schweine-H1N1-Viren (NP, M, NS) und Viren der nordamerikanischen Vogelgrippe (PA, PB2) (Karasin et al. 2000). Die erste Isolierung eines Schweinegrippevirus aus einem Menschen erfolgte 1974. Eine Übertragung von Schweinegrippeviren auf den Menschen wurde vermutet, konnte aber erst nach einem Ausbruch der Schweinegrippe im Jahr 1976 durch eine Antigen- und Genanalyse von H1N1-Viren, die aus Schweinen und einem menschlichen Kontakt isoliert wurden, bestätigt werden. 

Definition

Die Schweineinfluenza, auch porcine Influenza genannt, A(H1N1) oder A(H3N2) ist für Schweine eine hochansteckende Erkrankung. Mit diesem Virus können sich auch Menschen infizieren. Bei Patienten ohne gravierende Vorerkrankungen kommt es aber i.d.R. zu einem milden Verlauf, wohingegen Personen mit Vorerkrankungen ein schwerer Verlauf mit Komplikationen nicht selten ist.

Erreger

Die häufigsten Subtypen von Schweinegrippeviren, die derzeit bei Schweinen zirkulieren, sind H1N1, H1N2 und H3N2. Schweinegrippe ist dafür bekannt, dass sie Menschen infiziert, die in engem Kontakt mit infizierten Schweinen stehen, und in einigen Fällen zum Tod führt .Retrospektive Studien zeigten, dass Landarbeiter höhere Serokonversionsraten für IAV aufweisen als Menschen ohne täglichen Kontakt mit Schweinen (Krumbholz et al. 2014). Insgesamt deuten diese Informationen darauf hin, dass Landarbeiter als wichtiger Kanal für die Übertragung von IAV von Schweinen auf den Menschen dienen können (Lopez-Moreno et al. 2022).

Das Virus überträgt sich durch feinste Tröpfchen. Es nistet sich in den Atemwegen ein. Die höchst komplex aufgebauten Viren haben auf ihrer Oberfläche Rezeptoren aus Hämagglutinin (HA) und Neuroaminidase (NA). Mittels der HA-Rezeptoren docken sie auf der Oberfläche von Schleimhautzellen.

Schweine können sich mit Influenzaviren von Vögeln, Schweinen und Menschen infizieren, da ihre Atemwege sowohl Vogel-α-2,3- als auch Säugetier-α-2,6-Sialinsäurerezeptoren enthalten. (Balzli et al. 2016). Daher gelten Schweine traditionell als „Mischgefäß“ für die Übertragung zwischen verschiedenen Arten, wodurch neue Viren mit Pandemiepotenzial entstehen.

 

Klinisches Bild

Im Jahr 2014 wurden in einer Literaturrecherche die Ergebnisse von 396 bestätigten zoonotischen Infektionen mit Schweinegrippeviren vorgestellt (Freidl et al. 2014). Auch in neueren Studien wurden hauptsächlich die antigenen und/oder genetischen Eigenschaften isolierter H1N1v-Viren beschrieben. (Deng et al. 2020, Dürrwald et al. 2020). Infektionen beim Menschen, die durch Schweinegrippeviren verursacht wurden, waren mit klinischen Erkrankungen und gelegentlichen Krankenhausaufenthalten und Todesfällen verbunden. Allerdings wurde bisher nur eine begrenzte Übertragung von Mensch zu Mensch dokumentiert, mit Ausnahme des pandemischen H1N1-Schweinegrippevirus, das 2009 in Mexiko und den Vereinigten Staaten identifiziert wurde (Myers et al. 2007). Dieses neuartige H1N1-Virus zeichnete sich durch eine einzigartige Kombination von Gensegmenten aus, die zuvor noch nicht beobachtet worden war. Das A(H1N1)pdm09-Virus enthält die NA- und M-Gene der eurasischen aviären Schweineart und alle anderen Gene stammen vom amerikanischen H1N1-Dreifach-Reassortanten ab, der 1999 auftrat. Dieses neuartige Schweinevirus war gut an den menschlichen Wirt angepasst und breitete sich rasch in anderen Regionen der USA, Kanadas und auf anderen Kontinenten aus.

Der Fall der Übertragung von Schweinen auf den Menschen, der 2010 in Deutschland auftrat, war durch einen ungewöhnlich schweren Verlauf gekennzeichnet, während die Person (m)  die 2007 mit einem H1N1-Schweinevirus infiziert wurde, eine eher normale grippeähnliche Erkrankung durchmachte. Dies deutet darauf hin, dass an diesen Übertragungsereignissen wahrscheinlich mehr Menschen beteiligt waren. Osnabrück liegt in der Region Deutschlands mit der höchsten Dichte an Schweinefarmen. Daher besteht für Landwirte, die aufgrund einer erworbenen Immunität möglicherweise keine klinischen Symptome zeigen, aber das Virus auf die Bevölkerung übertragen können, ein hohes Infektionsrisiko.

Diagnose

Bezüglich der Symptome ist eine Infektion mit A/H1N1 nur schwer von einer normalen Grippe zu unterscheiden. Nach ein bis maximal vier Tagen treten die ersten Symptome auf: Plötzliches hohes Fieber, Appetitlosigkeit, Schnupfen, möglicherweise auch Halsschmerzen, Husten, Muskel- und Gliederschmerzen. Zusätzlich kann noch Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall dazu kommen. Diese letztgenannten Symptome treten bei einer normalen Grippe nicht auf. Mittels PCR-kann  das Virus nachgewiesen werden.

Interne Therapie

Wie bei anderen Typ A-Viren können Neuraminidase-Hemmer eingesetzt werden. Amantadin dagegen ist wirkungslos, da A/H1N1 dagegen immun ist. Die Neuraminidase-Hemmer Tamiflu und Relenza müssen aber innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome eingenommen werden. Bei Anzeichen einer bakteriellen Superinfektion ist ein Antibiotikum nötig.

Hinweis(e)

Jener H1N1-Subtyp, der 1918/19 unter dem Namen Spanische Grippe zu einer großen Pandemie führte, wird mittlerweile als ursprünglich porziner Subtyp angesehen oder zumindest wird ein gemeinsamer Ursprungsstamm angenommen.

Literatur

  1. Balzli C et al. (2016)  Susceptibility of swine to H5 and H7 low pathogenic avian influenza viruses Influenza Other Respir. Virus 10:  346-352.
  2. Brown IH et al. (2001) Pattern of mutation in the genome of influenza A virus on adaptation to increased virulence in the mouse lung: identification of functional themes. Proc Natl Acad Sci USA 98: 6883-6888.
  3. Deng YM et al. (2020) Locally acquired human infection with swine-origin influenza A(H3N2) variant virus, Australia, 2018. Emerg Infect Di 26: 143-147
  4. Dürrwald R  et al. (2020)  Zoonotic infection with swine A/H1(av)N1 influenza virus in a child, Germany, June 2020. Eur. Surveill 25 10.2807/1560-7917.
  5. Freidl GS et al. (2014) Influenza at the animal-human interface: a review of the literature for virological evidence of human infection with swine or avian influenza viruses other than A(H5N1). Eur. Surveill 19: 10.2807/1560-7917
  6. Heider A et al. (2024) Characteristics of two zoonotic swine influenza A(H1N1) viruses isolated in Germany from diseased patients. Int J Med Microbiol 314:151609.
  7. Karasin et al.(2000) Genetic characterization of H3N2 influenza viruses isolated from pigs in North America, 1977-1999: evidence for wholly human and reassortant virus genotypes. Virus Res 68: 71-85.
  8. Koen J (1918) A practical method for field diagnosis of swine disease. Am J Vet Med 14: 468-470
  9. Krumbholz et al. (2014) Origin of the European avian-like swine influenza viruses. J Gen Virol 95: 2372-2376.
  10. Lange J et al. (2014) Circulation of classical swine influenza virus in Europe between the wars?Arch Virol 159: 1467-1473.
  11. Lopez-Moreno G et al. (2022) Evidence of influenza A infection and risk of transmission between pigs and farmworkers Zoonoses Public Health 69; 560-571.
  12. Myers KP et al. (2007) Cases of swine influenza in humans: a review of the literature. Clin Infect Dis 44: 1084-1088.

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