Riesenzellmyokarditis
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Der Dresdener Arzt Carl Ludwig Alfred Fiedler (1835- 1921) beschrieb 1900 erstmals eine idiopathische Form der Myokarditis, die nach ihm als Fiedler- Myokarditis benannt wurde.
Definition
Unter einer Riesenzellmyokarditis versteht man eine durch Infiltration mehrkerniger Riesenzellen und Lymphozyten gekennzeichnete Entzündung des Myokards ohne Nachweis von Viren oder anderen Erregern (Schwimmbeck 2015).
Vorkommen
Die Riesenzellmyokarditis ist eine sehr selten vorkommende Erkrankung. Sie tritt bevorzugt bei jungen, bislang gesunden Menschen auf (Magerkurth 2008)
Ätiologie
Die Riesenzellmyokarditis ist eine ätiologisch ungeklärte Erkrankung (Kohl 2000). Nicht selten wird eine Assoziation zu Autoimmunerkrankungen, zum Thymom und zu entzündlichen Darmerkrankungen beobachtet. Untersuchungen an betroffenen Patienten und am Lewis-Rattenmodell deuten darauf hin, dass die Erkrankung durch T-Lymphozyten vermittelt wird (Cooper 2012).
Klinisches Bild
Es können akute linksthorakale Schmerzen auftreten, die an einen Myokardinfarkt denken lassen. Mitunter bestehen aber auch, zumindest anfänglich, unspezifische Symptome, die im weiteren Verlauf Symptome einer akuten dilatativen Kardiomyopathie zeigen. Diese erweist sich gegenüber der leitliniengerechten Behandlung dann jedoch als refraktär (Kühl 2012).
Häufige Symptome sind:
- Zeichen einer Herzinsuffizienz
- brady- und / oder tachykarde Herzrhythmusstörungen(Kohl 2000)
- ventrikuläre Arrhythmien (entstehen laut letzter Studien durch eine zytokin-induzierte Veränderung der desmosomalen Proteinexpression (Cooper 2012)
Bildgebung
Echokardiographie: Es findet sich eine ausgeprägte Dilatation des linken Ventrikels (Schwimmbeck 2015).
Röntgen Thorax: Meistens besteht eine Vergrößerung des Herzschattens durch Dilatation des linken Ventrikels (Schwimmbeck 2015).
Diagnose
Wenn sich die Symptome der akuten dilatativen Kardiomyopathie auch nach leitlinienbasierter Behandlung als refraktär erweisen, sollte der Verdacht auf eine Riesenzellmyokarditis bestehen (Cooper 2012).Die Sicherung der Diagnose kann ausschließlich durch eine Myokardbiopsie erfolgen (Kohl 2000)
EKG
- Kammertachykardien (Cooper 2012)
- höhergradige AV-Blockierungen (Schwimmbeck 2015)
- ventrikuläre Arrhythmien (Schwimmbeck 2015)
Endomyokardbiopsie
Zur Diagnose der Riesenzellmyokarditis ist eine Endomyokardbiopsie erforderlich, da die Differenzialdiagnostik - insbesondere gegenüber der mikrovaskulären Ischämie – mitunter schwierig sein kann. Die Punktion kann sowohl links- als auch rechtsventrikulär erfolgen, da hinsichtlich der Wertigkeit kein signifikanter Unterschied nachweisbar ist. Wichtig ist lediglich die Entnahme mehrerer Biopsien auch aus dem Bereichs des Septums (Schwimmbeck 2015).
Histologie
- Nachweis zahlreicher multinukleärer Riesenzellen
- eosinophile Granulozyten
- T-Lymphozyten
- Makrophagen (Kandolf 2011)
ausgeprägte nekrobiotische Veränderungen im Myokard (Kandolf 2011)
Immunhistologisch gehen die Riesenzellen ursprünglich aus CD68 – positiven Vorläuferzellen der Makrophagen hervor und sind CD68 – positiv (Kandolf 2011)
Differentialdiagnose
- Herzsarkoidose: bei dieser Erkrankung können die Granulome histologisch auch in anderen Organen nachgewiesen werden (Matejic 2010). Die Herzsarkoidose stellt jedoch insgesamt eine schwierige Differenzialdiagnose dar, denn auch sie ist durch C68 – positive Riesenzellen charakterisiert. Es finden sich bei der Sarkoidose aber keine Nekrosen der Myozyten und nur selten eosinophile Granulozyten (Kandolf 2011)
- eosinophile Myokarditis: sie stellt ebenfalls eine sehr schwierige Differenzialdiagnose dar; im Falle einer peripheren Eosinophilie sollten deshalb ausgeschlossen werden:
- eine Vaskulitis (z. B. Churg-Strauss-Syndrom, Polyarteriitis nodosa etc)
- maligne Erkrankungen, insbesondere Leukämie, Lungenkarzinom, Lymphom, Melanom etc.
- Löffler-Endokarditis (hierbei zeigen sich sowohl endokardiale als auch myokardiale Gewebeschädigungen auf Grund eosinophiler Granulozyten, die eine sekundäre Thrombenbildung im Rahmen der Schädigung des Endokards zeigen (Kandolf 2011)
- diffuse mikrovaskuläre Ischämie (Schwimmbeck 2015)
Therapie
Allgemeines:
Vor Beginn der Behandlung mit Immunsuppressiva muss eine virale Genese sicher ausgeschlossen werden (Schwimmbeck 2015).
Bei Patienten, die mit Cyclosporin +Glukokortikoide, oder Azathioprin oder Muromonab-CD3 behandelt wurden, konnte man bereits 2007 ein verlängertes transplantatfreies Überleben nachweisen (12,6 Monate gegenüber 3 Monaten [Reinhardt 2007]).
Da es Hinweise gibt, dass die Riesenzellmyokarditis durch T-Lymphozyten vermittelt wird, könnte eine Therapie zur Verminderung der T-Zell-Funktion ansprechen. Hier sind aber weitere Untersuchungen erforderlich (Cooper 2012).
Die derzeit empfohlene Behandlung einer Riesenzellmyokarditis besteht aus einer aggressiven Therapie mit anti- CD3 – Antikörpern, Ciclosporin und Kortison und beträgt insgesamt 12 Monate (Kühl 2012).
Therapievorschlag (Kühl 2012):
- anti- CD3 – Antikörpern (OKT 3):5 mg /d i.v. über 7 Tage; 10 mg /kg KG über 3 Tage (cave initiale Hypotension!)
- Ciclosporin: angepasste Dosierung bis zu einem Talspiegel zwischen 100 – 120 µg / mL für insgesamt mindestens 12 Monate
- Methylprednisolon: 1mg / kg KG für 2 Wochen, danach Reduktion um jeweils 10 mg / 4 Wochen; anschließend alle 2 Wochen Reduktion der Dosis um jeweils 10 mg bis zur Erhaltungsdosis von 5 mg – 10 mg / d; die Therapie mit Kortison sollte insgesamt für mindestens 12 Monate erfolgen.
- Pantoprazol 20 mg / d
- Kalziumsubstitution 1 x 1 g/d
Es sollten regelmäßige Kontrollen der Leber- und Nierenwerte erfolgen (Ciclosporin) und ebenso Kontrollen des Blutzuckers sowie des Differential- Blutbilds (Methylprednisolon) (Kühl 2012).
Prognose
Die Riesenzellmyokarditis weist eine hohe Mortalität auf und stellt somit eine sehr ernste Erkrankung dar. Die durchschnittliche Überlebensdauer beträgt unbehandelt ca. 3 Monate (Kohl 2000).
Bei ca. 70 % der Patienten ist innerhalb eines Jahres eine Herztransplantation erforderlich (Magerkurth 2008).
Selbst im Transplantat sind Rezidive nicht selten (Kohl 2000). Sie treten in 20% - 25 % der Fälle auf (Cooper 2012).
Hinweis(e)
Da es sich um eine selten auftretende Erkrankung handelt, empfiehlt es sich, Kontakt zu Zentren aufzunehmen, denen Behandlungsprotokolle vorliegen (Herold 2018).
Literatur
- Cooper L T et al. (2012) Giant cell myocarditis. Herz Cardiovascular Diseases (37) Springer Verlag. 632 - 636
- Herold G et al. (2018) Innere Medizin Herold Verlag 232 – 234
- Kandolf R (2011) Myokarditis – Diagnostik. Dtsch med Wochenschr (16) Thieme Verlag 829 - 835
- Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1901
- Kohl O et al. (2000) Seltene Ursache tachy-, als auch bradykarder Rhythmusstörungen. Zeitschrift für Kardiologie 89: 1009 – 1013
- Kühl U et al. (2012) Myokarditis: Frühzeitige Biopsie ermöglicht differenzierte regenerative Therapie. Dtsch Arztebl 20: 361 - 368
- Magerkurth O et al. (2008) Riesenzellmyokarditis – eine seltene Form der Myokarditis. RöFo 180: 664 – 665
- Matejic D et al. (2010) Plötzlicher Tod bei akuter idiopathischer Riesenzellmyokarditis. Rechtsmedizin 20: 275 - 277
- Reinhardt D et al. (2007) Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Springer Verlag 817
- Remmele W et al. (1984) Pathologie: Rechtsfragen in der Pathologie, Einführung in die bioptische Diagnostik, Herz- und Gefäßsystem, Hämatologie, Atemwege. Springer Verlag 128
- Schwimmbeck P L (2015) Myokarditis als Ursache einer akuten Herzinsuffizienz. Aktuel Kardiol 3: 155 - 159