Respiratory Syncytial Virus
Synonym(e)
Definition
Zu den Paramyxoviridae gehörende Virusspezies, ein weltweit verbreitetes, einzelsträngiges (ss), unsegmentiertes RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviridae (Gattung Pneumoviridae - Pneumoviren). Das Virus besitzt eine doppelschichtige Lipidhülle, in die Glykoproteine eingelagert sind, darunter ein Fusions- (F-) und ein Adhäsions- (G)-Protein. 2 Gruppen von RSV werden unterschieden: A und B, die sich in der Antigenstruktur des G-Proteins unterscheiden. Virusstämme beider Gruppen zirkulieren gleichzeitig, RSV A überwiegt jedoch in den meisten Jahren.
Das Virus infiziert die Zilien-tragenden Epithelzellen des oberen Respirationstraktes. Hier findet die Virusreplikation statt. Durch eine vom F-Protein verursachte Synzytienbildung und die einsetzende Inflammation werden die Epithelien reversibel geschädigt. Die Nekrose derartiger Synzytien sowie die entzündlichen Exsudate führen zu einer Obstruktion der Luftwege. Die Infektion ist typischerweise selbstlimitierend. Innerhalb von 4-8 Wochen regenerieren sich die Epithelien.
Vorkommen/Epidemiologie
Das RSV ist ein Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. RSV führt jedes Jahr mit einer gewissen saisonalen Häufigkeit (Spätherbst und Winter) zu klinischen Ausbrüchen. In den übrigen Monaten kommen sporadische Infektionen vor. Das Virus ist hochkontagiös. Mehr als 50% der Kinder <1 Jahr werden exponiert. Neugeborene und junge Säuglinge sind in den ersten 4–6 Lebenswochen durch diaplazentar übertragene Antikörper vor einer RSV-bedingten Erkrankung geschützt. Frühgeborene können durch eine geringere Versorgung mit mütterlichen Antikörpern auch in den ersten Lebenswochen bereits schwer an einer RSV-Infektion erkranken.
Bei älteren Säuglingen und Kleinkindern ist eine RSV-Infektion die häufigste Ursache von Erkrankungen des unteren Respirationstraktes und von damit verbundenen Krankenhauseinweisungen. Innerhalb des 1. Lebensjahres haben 50–70% und bis zum Ende des 2. Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht.
Der Mensch ist das einzige relevante Reservoir für das humane RSV. Die Übertragung erfolgt in erster Linie durch Tröpfcheninfektion von einer infektiösen Person auf eine Kontaktperson. Konjunktiven und Nasenschleimhäute bilden die Eintrittspforte. Es wird angenommen, dass eine Übertragung auch indirekt über kontaminierte Hände, Gegenstände und Oberflächen möglich ist. RSV kann in respiratorischem Sekret 20 Minuten auf Händen überleben, 45 Minuten auf Papierhandtüchern und Baumwollkitteln und bis zu mehreren Stunden auf Einmalhandschuhen, auf Stethoskopen und auf Kunststoffoberflächen. Jugendliche und Erwachsene spielen als asymptomatische oder symptomarme Überträger eine Rolle. Auch passiv gegen RSV immunisierte Kinder können vorübergehend Überträger von RSV sein, da die Antikörper nicht die Infektion der oberen Luftwege verhindern. Medizinisches Personal und andere Kontaktpersonen der Patienten können somit zu einer raschen, auch nosokomialen Ausbreitung beitragen, wenn Schutz- und Hygienemaßnahmen lückenhaft sind.
Eine langfristige Immunität besteht nicht. Reinfektionen sind häufig, insbesondere bei Erwachsenen mit regelmäßigem Kontakt zu Kleinkindern.
Klinisches Bild
98% der Infektionen bei Säuglingen verlaufen im Nasopharynx als harmlose Rhinitis. Schwere Verlaufsformen mit Bronchiolitis und Pneumonie sind möglich. Eine häufige Komplikation ist die Otitis media.
Diagnose
Der Erregernachweis sollte zeitnah erfolgen, um nosokomialen RSV-Infektionen wirksam vorzubeugen und therapeutische Entscheidungen zu treffen. Wie für andere virale Erreger von Atemwegserkrankungen eignet sich Nasopharyngealsekret aus Nasenrachenspülwasser, -aspiration oder -abstrichen für den Nachweis von RSV.
PCR: Genomnachweise mittels PCR sind sehr spezifisch, schnell und hochsensitiv, selbst bei geringer Viruslast in der Probe.
Als Antigennachweis sind meist auf Enzym-Immunoassays (EIA) basierende Schnelltests verfügbar, die innerhalb von 20–75 Minuten ein Ergebnis liefern. Sie sind für Personen bis zum 18. Lebensjahr evaluiert. Die Sensitivität von EIA liegt in einem Bereich von 50–90% und ihre Spezifität bei 75–100%, wobei der positive Vorhersagewert stark vom Alter der Patienten und der Saison abhängt.
Weiterhin können auf Immunfluoreszenzverfahren (IFT) basierende Nachweismethoden eingesetzt werden, die eine Sensitivität und eine Spezifität von über 90% erreichen.
Viruskultur ist möglich (früher Goldstandard in der Labordiagnostik). Sie erfordert Fachpersonal und ist zeitaufwändig, da zytopathische Effekte erst nach 4–7 Tagen auftreten, und ist nicht in jedem Labor durchzuführen. Durch die Verbreitung von Antigen- und Genomnachweisen mit hoher Sensitivität hat sie in den letzten Jahren an Bedeutung verloren.
Antikörpernachweise sind im Vergleich zu direkten Erregernachweisen von untergeordneter Bedeutung. Bei einer RSV-Infektion werden Antikörper nur in geringfügiger Konzentration gebildet. Um einen Titeranstieg zu erfassen, müssen zwei Seren mit mindestens 2–4 Wochen Abstand untersucht werden. Antikörpernachweise sind daher vor allem zur retrospektiven Sicherung der Diagnose und zu Surveillance- und Forschungszwecken geeignet.
Literatur
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