NSTEMII21.4

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

This article in english

Synonym(e)

(e) Non- ST- elevation myocardial infarction; Nicht- transmuraler Infarkt

Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte melden Sie sich an, um auf alle Artikel, Bilder und Funktionen zuzugreifen.

Unsere Inhalte sind ausschließlich Angehörigen medizinischer Fachkreise zugänglich. Falls Sie bereits registriert sind, melden Sie sich bitte an. Andernfalls können Sie sich jetzt kostenlos registrieren.


Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte vervollständigen Sie Ihre Pflichtangaben:

E-Mail Adresse bestätigen
oder
Fachkreisangehörigkeit nachweisen.

Jetzt abschließen

Definition

Unter einem NSTEMI (Non- ST- elevation myocardial infarction) versteht man das Auftreten eines akuten Myokardinfarktes, bei dem die persistierende ST- Hebung fehlt. Der Anstieg des Troponins und des CK- MB sind vorhanden, ebenso die Nekrose des Myokards.

Bemerkung: Es werden in diesem Artikel ausschließlich die für den NSTEMI wichtigen Dinge erwähnt. Für ausführlichere Informationen zum Myokardinfarkt bitte den Artikel akuter Myokardinfarkt aufrufen.

Einteilung

Der NSTEMI zählt, neben dem STEMI und der instabilen Angina pectoris zur Gruppe des akuten Koronarsyndroms.

 

Vorkommen/Epidemiologie

Der NSTEMI tritt häufiger auf als der STEMI (15 % - 20 % vs 5 % - 10 %) (Roffi 2015). Die jährliche Häufigkeit beträgt 3 von 1.000 Einwohnern (Pinger 2019).

Pathophysiologie

Es besteht beim NSTEMI eine partielle Nekrose des jeweils betroffenen Myokards mit Embolisation durch einen Thrombus bei Plaqueruptur oder eine subtotale Gefäßstenose (Hamm 2014).

 

Klinisches Bild

Ausführliche Symptome s. Myokardinfarkt

Laut MONICA- Studie (Keil 2005) zeigen sich die typischen Infarktsymptome nur bei ca. 40 % aller Infarkte. Diese typischen Symptome sind:

  • intensive und anhaltende Angina pectoris Schmerzen, die jedoch durch Ruhe oder Nitrogabe kaum zu beeinflussen sind (im Unterschied zu einer stabilen Angina pectoris)
  • die retrosternalen Schmerzen können ausstrahlen in
  • den Hals / Nacken
  • Unterkiefer
  • Zähne
  • Schulterbereich
  • beide (!) Arme (mit Fokus auf die ulnaren Seiten der Unterarme), die bis in die ulnaren Fingerspitzen ausstrahlen können
  • Schmerzen unterhalb des Xyphoids im Epigastrium (selten auch unterhalb des Bauchnabels)
  • typischerweise bleibt die Region des M. trapezius schmerzfrei (Schmerzen in diesem Bereich sind typisch für eine Perikarditis) (Kasper 2015)
  • Herzrhythmusstörungen in Form von ventrikulären Tachykardien, Kammerflimmern, AV- Blockierungen treten bei ca. 95 % auf
  • häufig Blutdruckabfall mit zerebralen Funktionsstörungen
  • Symptome einer Linksherzinsuffizienz mit Luftnot treten bei ca. 33 % auf
  • beim rechtsventrikulären Infarkt:
  • fehlende Lungenstauung
  • Halsvenenstauung
  • oftmals Bradykardien (Herold 2020)
  • Schweißausbruch
  • kalte Extremitäten
  • Erhöhung der Körpertemperatur bis 38 Grad C (Kasper 2015)

Bei ca. 5 % der Patienten tritt ein durch lokalen Druck ausgelöster und reproduzierbarer Thoraxschmerz auf (Pinger 2019).

 

Diagnostik

Inspektion und Palpation: Typischerweise halten die Patienten die geballte Faust bei Beschreibung der Schmerzen in Sternummitte (Levine-Zeichen), die Hand wird flach auf das Sternum gelegt bzw. beide Hände, die Fingerspitzen einander zugewandt von lateral auf das Sternum platziert, um die gürtelförmige Enge anzuzeigen.

Die Sensitivität bei kardialem Schmerz liegt bei ca. 80 %, die Spezifität bei ca. 49 % (Edmondstone 1995)

EKG:  Beim NSTEMI fehlt die für den STEMI typische ST-Streckenhebung . Es können vorhanden sein:

  • bei 20 % - 25 % Senkungen der ST- Strecke, die über mehrere Tage persistieren können (Kasper 2015)
  • transiente ST- Hebungen
  • T- Wellen können normal oder negativ sein (Stierle 2017)

Ein NSTEMI betrifft überwiegend den Bereich der linken Kammer. Aus dem EKG mit für einen Infarkt typischen Ableitungen lässt sich der exakte Bereich des Verschluss praktisch nicht lokalisieren, da die Koronarien variabel sind und der Versorgungstyp nicht bekannt ist (Herold 2020). Als Anhaltspunkt hinsichtlich der Lokalisation des Infarktes gilt die folgende Zuordnung:

  • RIVA proximal:
    • großer Infarkt im Bereich der Vorderwand
    • V1 bis V6, aVL, I als direkte Infarktzeichen
    • (II), III, aVF als indirekte Infarktzeichen
  • RIVA nach Abgang der Diagonaläste:
    • anteroseptaler Infarkt
    • V1 bis V4, aVL, I als direkte Infarktzeichen
    • (II), III, aVF als indirekte Infarktzeichen
  • Diagonalast:
    • Lateralinfarkt
    • V5 bis V7, aVL, I als direkte Infarktzeichen
    • keine indirekten Infarktzeichen
  • Posterolateralast:
    • Posterolateralinfarkt
    • V5 bis V6, aVF, II, III als direkte Infarktzeichen
    • V1 bis V3, aVL, I als indirekte Infarktzeichen
  • RCX:
    • strikt posteriorer Hinterwandinfarkt
    • V7 bis V9, aVF, III als direkte Infarktzeichen
    • V 1 bis V2 als indirekte Infarktzeichen
  • RCA:
    • inferiorer Hinterwandinfarkt / rechtsventrikulärer Infarkt
    • V1 , V 3r bis V6r, aVF, II, III als direkte Infarktzeichen
    • V1 bis V3 als indirekte Infarktzeichen

 

Labor

Troponin T:

  • beim NSTEMI ≥ 0,01 bis ≤ 1,0
  • CK- MB- Erhöhung (Stierle 2017)

Die Wahrscheinlichkeit eines NSTEMI kann mit Hilfe von hochsensitiven Troponin- Assays durch sog. 1- h- bzw. 3- h- Ausschlusslogarithmen (0- h / 1 h bzw. 3 h) bestimmt werden als „rule in“ bzw. „rule out“. Der negativ prädiktive Wert liegt zwischen 98 % - 100 %, der positiv prädiktive Wert zwischen 75 % und 80 % (Mehilli 2016).

Differentialdiagnose

Instabile Angina pectoris (Differenzierung durch hochsensitive Troponin- Assays möglich s. „Labor“). Weitere Differentialdiagnosen: s. „Myokardinfarkt“ und „akutes Koronarsyndrom

Therapie

Patienten mit einem eindeutigen NSTEMI sollten nach ACC / AHA (2016) umgehend einer Koronarangiographie zugeführt werden. Über das weitere therapeutische Vorgehen sollte in Abhängigkeit des Befundes der Koronarangiographie entschieden werden (Pinger 2019).Bei Patienten mit einem NSTEMI wird keine Thrombolyse durchgeführt (Stierle 2017).

Ausführliche Informationen zur Therapie s. akuter Myokardinfarkt.

 

Verlauf/Prognose

Die 30- Tage- Mortalität beim NSTEMI beträgt 10,4 %, die 6- Monate- Letalität 18,7 % (Stierle 2017).

Nach einem NSTEMI mit geringem Risiko für Herzrhythmusstörungen (Kriterien: hämodynamisch stabil, keine schweren Arrhythmien, linksventrikuläre Ejektionsfraktion > 40 %, erfolgreiche Reperfusion) sollte der Patient für 24 h per Monitor überwacht werden. Alle anderen Patienten bedürfen der Überwachung von > 24 h (Roffi 2015).

Bettruhe empfiehlt sich für 12 – 24 h oder bis zum deutlichen Abfall des CK- Wertes. Bei einem sehr kleinen NSTEMI ist eine Entlassung aus der stationären Behandlung frühestens nach 72 h möglich, sofern eine frühe Reha organisiert ist (Stierle 2017).

Die Eingliederung ins Alltags- bzw. Berufsleben kann stufenweise erfolgen. Die Teilnahme an einer ambulanten Herzgruppe sollte dem Patienten nahe gelegt werden (Herold 2020).

Initial ist die Prognose eines NSTEMI im akuten Stadium besser als die des STEMI, da beim NSTEMI eine geringere Größe der Myokardschädigung besteht. Im weiteren Verlauf ist die Prognose aber gleich der eines STEMIs (Hamm 2014).
Bei Patienten mit Z. n. NSTEMI kommt es bei bis zu 20 % der Patienten zu einem erneuten Auftreten einer Angina pectoris.(Stierle 2017)

Nachsorge

Eine Verbesserung der Prognose ist durch folgende Allgemeinmaßnahmen möglich:

  • Einhalten der Nikotinkarenz
  • mediterrane Ernährung
  • aerobe körperliche Belastung ≥ 3x die Woche für 30 – 45 min
  • optimale Einstellung einer etwaig vorhandenen arteriellen Hypertonie
  • optimale Einstellung eines etwaig vorhandenen Diabetes mellitus
  • regelmäßige Grippeschutzimpfung 1 x jährlich (Herold 2020)

Eine Verbesserung der Prognose kann durch die folgenden medikamentösen- bzw. therapeutischen Maßnahmen erzeilt werden:

  • Betablocker ohne intrinsische Aktivität (diese führen zu einer Abnahme des Herzminutenvolumens. Bei längerer Einnahme kommt es zu einer Senkung der Herzfrequenz, des Herzzeitvolumen und der Plasmareninaktivität. Dadurch wird die Gefahr eines Reinfarktes und einer Herzinsuffizienz reduziert. Ebenso kommt es zu einer Abnahme rhythmogen bedingter Todesfälle). Dosierungsempfehlung: Initial sollte nur 1/10 der Zieldosis verabreicht werden. Die Zieldosis sehr langsam und unter ständiger klinischer Kontrolle von Symptomatik, Gewicht, Auskultationsbefund steigern. Alle 14 Tage Erhöhung der Dosis. Meistens dauert die Anpassung mehrere Monate.
    • Bisoprolol 1 x 23, 75 mg / d, Zieldosis 2 x 100 mg / d
    • Carvedilol 3 x 3,125 mg / d, Zieldosis 2 x 25 mg / d (Herold 2020 / Braun 2018 / Rietbrock 1991 / )
    • Thrombozytenaggregationshemmer
  • DAPT: nach einem NSTEMI sollte für 1 Jahr eine duale Antiplättchentherapie (DAPT) erfolgen. Dosierungsempfehlung:
    • Acetylsalicylsäure: ASS 75 mg – 100 mg /d lebenslang (Herold 2020)
    • plus Clopidogrel: initial 300 – 600 mg, anschließend 75 mg / d für 1 Jahr
    • oder
    • Ticagrelor: initial 180 mg, anschließend 2 x 90 mg / d (Kontraindikationen: anamnestisch intrakranielle Blutungen, aktuelle Blutungen)
    • oder
    • Prasugrel: initial 60 mg, anschließend 10 mg / d (Kontraindikationen: anamnestisch intrakranielle Blutungen, ischämischer Insult, transitorisch ischämische Attacke, aktuelle Blutungen; Prasugrel wird nicht eingesetzt bei Patienten ≥ 75 Jahre oder mit einem Körpergewicht ≤ 60 kg)
  • Orale Antikoagulation zusätzlich zu DAPT: Beim Auftreten von Vorhofflimmern, einem linksventrikulären Thrombus oder der Notwendigkeit des Einsetzens einer Herzklappe, sollte zusätzlich eine orale Antikoagulation erfolgen (s. Thromboseprophylaxe) (Herold 2020)
  • Cholesterinsenker / Statine. Dosierungsempfehlung:
    • Pravastatin: 40 – 80 mg / d (Pinger 2019): Der Zielwert des LDL- Cholesterin sollte bei < 70 mg / dl liegen. Falls dieser nicht erreicht werden kann, sollten zusätzlich
    • Ezetimib oder PCSK9- Inhibitoren gegeben werden. Dosierungsempfehlung: Ezetimib 10 mg / d; PCSK9- Inhibitor z. B. Evolocumab 10 mg / d (Herold 2020 / Schwabe 2016)
  • ACE- Hemmer: Nach einem NSTEMI kommt es am Herzen zu einem strukturellen Umbau- und zu Anpassungsvorgängen, dem sog. „remodeling“. Diese Veränderungen können zu einer Hypertrophie, einer Expansion der Myokardnarbe und einer Dilatation des linken Ventrikels führen, die die weitere Prognose erheblich verschlechtern. Durch ACE- Hemmer ist es möglich, diesen Prozess aufzuhalten und damit die Gesamtsterblichkeit zu verringern, wie mehrere Studien (wie z. B. SAVE, TRACE, AIRE etc.) gezeigt haben (Herold 2020). Dosierungsempfehlung:
    • Captopril: 6,25 mg initial, 2 h später 12,5 mg, 12 h später 25 mg, anschließend 2 x 50 mg / d oder:
    • Ramipril 2 x 2,5 mg, anschließend 2 x 5 mg / d oral (Pinger 2019). Sollten beim Patienten Unverträglichkeiten wie z. B. Husten auftreten oder Kontraindikationen bestehen, kann auf:
    • Sartane (AT1- Blocker) umgestellt werden. Dosierungsempfehlung: Valsartan: 20 mg in 4 Stufen auf 2 x 160 mg als Erhaltungsdosis (Herold 2020)
  • Aldosteron- Rezeptor- Antagonist:  Falls sich beim Patienten – trotz der Behandlung mit Betablockern und ACE- Hemmern (bzw. AT1- Blockern) ein Persistieren der Herzinsuffizienz besteht bzw. eine Einschränkung der linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LV- EF) von < 35 % vorhanden sein sollte, empfiehlt sich die Gabe eines Aldosteron- Rezeptor- Antagonisten. Dosierungsempfehlung:
    • Spironolacton: Startdosis: 1 x 25 mg, Zieldosis 2 x 25 mg – 50 mg (Herold 2020 / Aktories 2017).

Kardiale Rechronisationstherapie: Die kardiale Rechronisationstherapie sollte erfolgen bei:

  • - einem linksschenkelblockartigen QRS- Komplex > 120 ms – 150 ms
  • - einer LV- EF ≤ 35 %
  • - einer - trotz optimaler medikamentöser Therapie - fortschreitenden Herzinsuffizienz (NYHA > II) (Herold 2020)

Implantierbarer Defibrillator (ICD): Sollte nach optimaler medikamentöser Behandlung > 40 Tage eine symptomatische Herzinsuffizienz NYHA II – III oder eine reduzierte linksventrikuläre Auswurffraktion ≤ 35 % bestehen, besteht die Indikation zum ICD (Herold 2020).

Literatur

  1. Aktories K et al. (2017) Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Elsevier 378
  2. Braun J et al. (2018) Klinikleitfaden Innere Medizin. Elsevier Urban und Fischer Verlag S 73 – 74
  3. Edmondstone W M (1995) Cardiac chest pain: does body language help the diagnosis? The BMJ 311: 1660
  4. Hamm C et al. (2014) Checkliste EKG. Thieme Verlag Kapitel 17.2.3.
  5. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag S 250 – 259
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1593 – 1598, 1599 - 1608
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1938 – 1952, 1954 – 1967
  8. Keil U et al. (2005) Das weltweite WHO-MONICA-Projekt: Ergebnisse und Ausblick. Gesundheitswesen 67: 38 – 45
  9. Mehilli J et al. (2016) Kommentar zu den 2015-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zum Management des akuten Koronarsyndroms ohne ST-Hebungen (NSTE-ACS). Kardiologie 10: 351 – 358
  10. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag S 87 - 165
  11. Rietbrock N et al. (1991) Klinische Pharmakologie: Ein Leitfaden für die Praxis. Steinkopff Verlag Darmstadt S 73
  12. Roffi M et al. (2015) Leitlinien Akutes Koronarsyndrom ohne ST- Hebung. ESC Pocket Guidelines. Björn- Bruckmeier Verlag
  13. Schwabe U et al. (2016) Arzneiverordnungs-Report 2016: Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare. Springer Verlag S 55
  14. Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer S 128 – 151

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024