MyokarditisI51.4

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

Akute Myokarditis; Chronische Myokarditis; Entzündung des Herzmuskels; Herzmuskelentzündung; Inflammatorische Kardiomyopathie

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Erstbeschreiber

Die chronische Myokarditis war bereits Mitte des 18. Jahrhunderts als Herzmuskelerkrankung bekannt. Um 1900 herum tauchte der Begriff einer primären Herzmuskelerkrankung auf. Und erst 1957 wurde der Begriff der Kardiomyopathie geprägt, von dem es bis 1980 allerdings mehrere Definitionen gab. Erst 1995 wurde die WHO- Klassifikation „Herzmuskelerkrankungen, die zu Fehlfunktion des Herzens führen“ geprägt, zu denen inzwischen auch die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC) und die restriktive Kardiomyopathie zählen (Ludwig 2008).

Definition

Man versteht unter einer Myokarditis eine akute oder  chronische entzündliche Erkrankung der Herzmuskelzellen, welche auch das Interstitium und die Koronargefäße betreffen kann (Emminger 2010) und die über immunologische, histochemische und histologische Kriterien definiert ist (Herold 2018).

 

Einteilung

Die Myokarditis zählt laut WHO zu den erworbenen Formen der primären Kardiomyopathien (Schumacher 2008).

Differenziert wird zwischen:

  • akuter Myokarditis (Beginn der Erkrankung < 2 Wochen)
  • chronischer Myokarditis (sog. inflammatorische Kardiomyopathie; diese kann in eine dilatative Kardiomyopathie übergehen.

Nach dem Befund der Biopsie unterteilt sich eine Myokarditis entsprechend den Kriterien der WHF-

Klassifikation von 1999 (Michels 2010):

Aktive/akute Myokarditis. Im Bioptat finden sich:

  • Lymphozytäres Infiltrat mit monoklonalen Antikörpern Immunglobulin- und Komplementfixation. 

Persistierende Myokarditis. Im Bioptat finden sich zusätzlich:

  • eine Expression von HLA- I- und HLA- II- Antigen
  • Adhäsionsmoleküle (ICAM)

Abheilenden Myokarditis

  • Nachweis eines rückläufigen Infiltrates
  • Nachweis einer rückläufigen HLA- I- und HLA- II- Expression

Borderline- Myokarditis. Im Bioptat sind nachweisbar:

  • < 14 Lymphozyten/ mm²

Chronische Myokarditis bzw. einer inflammatorischen Kardiomyopathie. Nachweis von:

  • > 14 Lymphozyten (plus Makrophagen) / mm² , Immunglobulin- und Komplement- FixationHistologische Differenzierung nach der Dallas- Klassifikation von 1987 (Michels 2010):

______________________________________________________________________

Für die Diagnose einer akuten bzw. aktiven Myokarditis sind folgende Nachweise erforderlich:

  • entzündliches Infiltrat
  • Ödem
  • Myozytolyse

Bei der persistierenden Myokarditis zeigt sich ein unverändertes Bild:

  • entzündliches Infiltrat
  • Ödem
  • Myozytolyse

Bei der abheilenden Myokarditis findet man:

  • ein rückläufiges Infiltrat
  • eine reparative Fibrose
  • eine nur noch fakultativ bestehende Myozytolyse

Die Borderline- Myokarditis ist gekennzeichnet durch:

  • eingestreute Lymphozyten < 14 Lymphozyten / mm²
  • eine Myozytolyse findet sich nicht

Die chronische bzw. inflammatorische Kardiomyopathie:

  • diese ist bei den Dallas- Kriterien nicht definiert

Vorkommen/Epidemiologie

Die Dunkelziffer der Myokarditis ist sehr hoch. Bei plötzlichen Todesfällen junger Erwachsener findet sich in ca. 10 % der Autopsien eine Myokarditis (Herold 2018).

Ätiopathogenese

Die Myokarditis wird unterteilt in eine:

  • infektiöse
  • und
  • eine nicht-infektiöse Form.

Die infektiöse Form kann durch nahezu sämtliche Erreger ausgelöst werden, am häufigsten durch Viren und Trypanosoma cruzi (Erreger der Chagas-Krankheit - Kasper 2015).

Die infektiöse Myokarditis kann nach Herold 2018 ausgelöst werden durch:

  • Viren (trifft bei ca. 50 % der Erkrankungen zu):

Enteroviren (sind mit ca. 33 % am zweithäufigsten in Deutschland nachweisbar [Pinger 2019]) Coxsackie A, Coxsackie B1 – B5, Epstein- Barr- Virus, humanes Herpesvirus 6 (HPV6), Adenoviren (in 8 % nachweisbar [Pinger 2019]), Echo-, Influenzaviren, HIV, Hepatitis- C- Viren, Parvovirus B 19 (sind mit ca. 37 % in Deutschland am häufigsten nachweisbar [Pinger 2019]) u. a.

  • Bakterien:
    • bei einem septischen Verlauf, insbesondere einer bakteriellen Endokarditis durch Enterokokken, Staphylokokken etc.
    • betahämolysierende Streptokokken der Serogruppe A (z. B. bei Angina tonsillaris, Erysipel, Scharlach)
    • Borrelia burgdorferi (Lyme- Erkrankung)
    • Diphtherie
    • Syphilis (selten)
    • Typhus (seltener)
    • Tuberkulose (selten)
  • Mykosen (besonders bei Immunsuppression)
  • Protozoen (Chagas-Krankheit s. o., Toxoplasmose)
  • Parasiten (Echinokokken, Trichinen etc.)

Die nicht- infektiöse Myokarditis kann ausgelöst werden durch:

  • Kollagenosen
  • Rheumatoide Arthritis
  • Vaskulitiden
  • n. einer Radiatio des Mediastinums
  • Hypersensitivitätsmyokarditis (eosinophile Form, durch Medikamente wie z. B. Sulfonamid, Penicillin, Tetracyclin, Streptomycin, Paraaminosalicylsäure, Methyldopa etc. [Roskamm 1999])
  • Riesenzellmyokarditis (auch idiopathische interstitielle Fiedler- Myokarditis genannt)

Bemerkung: Infolge Kreuzantigenität von viralen und myokardialen Strukturen können durch Viren ausgelöste Myokarditiden zu Immunphänomenen führen.

Akute Myokarditis: Hierbei sind in ca. 75 % der Fälle passagere Antikörper nachweisbar. Diese verschwinden nach klinischer Besserung meistens wieder. Diagnostisch sind sie ohne Bedeutung. Es handelt sich dabei um folgende Antikörper:

  • Antimyolemmale Antikörper vom Typ IgM (AMLA)
  • Antisarkolemmale Antikörper vom Typ IgM (ASA)
  • IgM -Antikörper sowie Komplementfaktor C3 können in der Myokardbiopsie nachweisbar sein

Chronische Myokarditis: Bei der chronischen Verlaufsform können folgende Antikörper nachweisbar sein:

  • Auto- Antikörper gegen beta1- adrenerge Rezeptoren

Klinisches Bild

Der größte Teil der Myokarditiden verläuft asymptomatisch (Emminger 2010). Es gibt aber auch fulminante Verläufe mit letalem Ausgang. Diese sind jedoch selten (Herold 2018). In den meisten Fällen steht die Myokarditis mit einem vorausgegangenen Infekt in unmittelbarem Zusammenhang. Folgende Symptome können bei der Myokarditis auftreten:

  • akute thorakale Schmerzen im Sinne einer Perikarditis oder pseudo- ischämisch
  • akut aufgetretene Dyspnoe (nicht länger als 3 Monate bestehend) bzw. chronische Dyspnoe (länger als 3 Monate bestehend)
  • Fatigue
  • Zeichen der Herzinsuffizienz
  • Palpitationen
  • Arrhythmien
  • unklare Synkopen
  • kardiogener Schock
  • überlebter Herztod

 

Bildgebung

Echokardiographie: Vielfach finden sich in der Echokardiographie unauffällige Befunde. Regional können jedoch Störungen der Kinetik auftreten. Bei bestehender Herzinsuffizienz kann das Herz dilatiert sein und eine verminderte Auswurffraktion zeigen. Bei gleichzeitig bestehender Perikarditis ist u. U. ein Perikarderguss nachweisbar (Herold 2018).

Auch fokal- regionale Wandverdickungen, die auf ein bestehendes Ödem hinweisen, sind möglich (differentialdiagnostisch kann eventuell der Ausschluss einer HCM erforderlich sein). Ebenso können eine systolische linksventrikuläre Dysfunktion unterschiedlichen Schweregrades, eine rechtsventrikuläre Dysfunktion bzw. eine diastolische Dysfunktion (differentialdiagnostischer Ausschluss einer RCM) nachzuweisen sein (Pinger 2019). Ein unauffälliger Befund der Echokardiographie schließt allerdings eine Myokarditis nicht aus (Pinger 2019).

Szintigraphie: Bei der mit Indium- markierten anti- Myosin- Antikörper- Untersuchung zeigt sich ein hoher negativer prädiktiver Wert von 92 %. Bislang hat sich diese Untersuchung aber nicht durchgesetzt (Pinger 2019).

Röntgen Thorax

Das Röntgenbild ist zu Beginn meistens unauffällig, kann im weiteren Verlauf durch eine gleichzeitig bestehende Herzinsuffizienz eine Herzvergrößerung anzeigen (Herold 2018). Es können ebenso Zeichen einer pulmovenösen Stauung vorhanden sein (Reinhardt 2007).

 

Kardio- MRT

Die Kardio- MRT stellt derzeit die beste nicht- invasive Untersuchungsform bei der Myokarditis dar und sollte bei dem V. a. eine Myokarditis immer erfolgen. Die Veränderungen werden nach den sog. Lake- Louise- Kriterien bewertet. Typischerweise lassen sich im Fall einer Myokarditis folgende Befunde erheben:

Ödem: In der T2- Wichtung zeigen sich entzündete Areale in der fettgesättigten T2- Wichtung hyperintens (Ödem); eine Ratio > 1,9 gilt als pathologisch und stellt einen Hinweis auf ein Myokardödem dar (Niebauer 2015)

Early Gadolinium Enhancement: Bei Bestehen eines Kapillarlecks kommt es zu einer Hyperämie (Pinger 2019). In der T1- Wichtung nach Kontrastmittelgabe wird die Aufnahme des Kontrastmittels in den entzündlichen Arealen gemessen und zu der Kontrastmittelaufnahme der Skelettmuskulatur ins Verhältnis gesetzt. Das normale Verhältnis liegt bei < 2,5, eine Early- Gadolinium – Enhancement mit Ratio über 4,0 bzw. einem absoluten Anstieg von > 45 % sprechen für eine Myokarditis (Herold 2018).

Late Gadolinium Enhancement: Ein 0late Gadolinium Enhancement zeigt einen irreversiblen Zellschaden an (Pinger 2019). Die entzündlich veränderten Areale des Myokards nehmen in den Delayed- enhancement- Sequenzen (auch late Gadolinium Enhancement genannt) Kontrastmittel auf, welches in der akuten Phase einer Myokarditis subepikardial erfolgt, besonders in den inferior- lateralen Wandabschnitten des linken Ventrikels.

Beim Myokardinfarkt hingegen liegt – im Gegensatz zur Myokarditis – die Anreicherung des Kontrastmittels typischerweise subendokardial und lässt sich einem Versorgungsgebiet der Koronararterien zuordnen (Puls 2010). Sowohl die T1- Wichtung als auch die T2- Wichtung haben ihre Grenzen bei einer gleichzeitig bestehenden Skelettmuskelentzündung (Niebauer 2015).

 

 

Labor

Eventuell können Entzündungszeichen (Leukozytose, BSG –Beschleunigung, CRP- Erhöhung etc.) bestehen

Anstieg von CK / CK- MB (der positive prädiktive Wert ist allerdings niedrig, da ein Anstieg nur bei ca. 10 % der betroffenen Patienten zu finden ist [Pinger 2019])

Troponin T/I können erhöht sein (der positive prädiktive Wert ist auch hierbei niedrig [Pinger 2019])

virologische bzw. bakteriologische Untersuchung einschließlich Stuhluntersuchung auf Enteroviren

BNP kann mit einsetzender Herzinsuffizienz ansteigen, aber auch bei der Entzündung des Herzmuskels

der Nachweis von Auto- Antikörpern ist eher unspezifisch und spielt kaum eine Rolle

Diagnose

Die Diagnostik der Myokarditis stellt auch heutzutage noch eine Herausforderung dar. Der Goldstandard ist nach wie vor die Myokardbiopsie (Kandolf 2011). Das Myokard zeigt jedoch meistens einen heterogenen Befall und liefert damit falsch negative Ergebnisse. Zur Standardisierung der Untersuchungsmethoden und zum Vergleich der myokardialen Veränderungen wurden deshalb erstmals 2009 die sog. Lake- Louise- Kriterien (s. w. u. bei Kardio- MRT) erstellt. Diese zeigen eine Sensitivität von 67 % und eine Spezifität von 91 % (Schuler 2017).

Im Dezember 2018 erfolgte eine Revision dieser Kriterien. Dabei wurde das Late Gadolinium Enhancement als Einzelfaktor verlassen (s. a. w. u. [Maintz 2019]).

Laut Diagnosekriterien nach ESC von 2013 kann die Diagnose „Myokarditis“ gestellt werden, wenn bei symptomatischen Patienten 1 pathologischer Befund zutrifft, bei asymptomatischen mindestens 2 pathologische Befunde zutreffen von:

  • Auffälligkeiten im EKG
  • Erhöhung des Troponin T/I
  • entsprechende pathologische Bildgebung
  • Gewebecharakterisierung im MRT

Kasper (2015) spricht erst dann von einer gesicherten Diagnose der akuten Myokarditis, wenn in der Endomyokardbiopsie eine Entzündung entweder histologisch oder immunhistochemisch nachgewiesen werden kann. Weitere klinische oder laborchemische Kriterien hält er nicht für zwingend erforderlich. Andere Erkrankungen, die die erhobenen Befunde erklären könnten, müssen zuvor ausgeschlossen worden sein (Pinger 2019).

Auskultation: Die Auskultation ist eher unspezifisch. Es können flüchtige systolische Geräusche auftreten, bei Perimyokarditis kann ein Perikardreiben auskultierbar sein und bei einer bestehenden Herzinsuffizienz eventuell ein 3. Herzton vorhanden sein (Herold 2018).

Labor:  s. dort

Bildgebende Verfahren (s.dort)

Molekular- und immunhistologische Differenzen der entzündlichen Herzmuskelerkrankungen:

  • immunhistologisch findet sich eine aktive Entzündung bei der viruspositiven Myokarditis und ein aktiver immunologischer Prozess bei der durch eine Autoimmunreaktion ausgelösten Myokarditis
  • molekularbiologisch findet sich eine Viruspersistenz bei viralen Herzmuskelerkrankungen und der viruspositiven Myokarditis. Bei der postmyokarditischen Herzmuskelerkrankung findet sich kein Hinweis auf eine Viruspersistenz.

(Langzeit-) EKG: Häufig kommt es zu Veränderungen im EKG, meistens sind diese aber nur passager nachweisbar.

  • Sinustachykardie
  • Arrhythmien
  • Erregungsleitungsstörungen (z. B. AV- Block) treten gehäuft bei Diphtherie und Lyme- Karditis auf
  • Zeichen eines Innenschichtschadens mit
    • ST- Senkungen
    • Abflachung der T- Welle
    • T- Negativierung
  • monophasische Anhebung der ST- Strecke im Sinne eines Außenschadens bei gleichzeitiger bestehender Perikarditis (sog. Myoperikarditis)
  • eine Niedervoltage kann bestehen

Bei unauffälligen Befunden in der Kardio- MRT und klinischem Verdacht auf eine Myokarditis oder bei nur einem positiven MRT- Kriterium wird die Kontrolle einer MRT nach 1- 2 Wochen empfohlen (Pinger 2019).

Endomyokardbiopsie:  Da die Endomyokardbiopsie eine sehr begrenzte Sensitivität zeigt (bei der Entnahme von 10 Biopsien waren lediglich bei den Erkrankten 37 % positiv) sollte sich die Indikation zur Biopsie ausschließlich an möglichen therapeutischen Konsequenzen orientieren (Pinger 2019).

Herold (2018) empfiehlt in folgenden Fällen eine Biopsie durchzuführen:

  • akute Myokarditis (Beginn der Erkrankung < 2 Wochen)
  • bei schwerer Verlaufsform zur Identifikation seltener Ätiologien, sofern sich dadurch therapeutische Konsequenzen ergeben (z. B. bei einer Riesenzellmyokarditis; bei Verdacht sollte in diesen Fall der Therapiebeginn bereits vor Erhalt des Pathologieergebnisses liegen)

Schwimmbeck (2015) sieht in Bezug auf die AHA- Guidelines (American Heart Association) die Indikation zur Myokardbiopsie bei bestehendem V. a. eine akute Myokarditis gegeben bei:

  • seit weniger als 2 Wochen bestehender und erstmals aufgetretener Herzinsuffizienz mit dilatiertem oder normal großem Ventrikel und hämodynamischer Kompromittierung (Empfehlungsklasse I, Evidenzgrad B)
  • seit mehr als 2 Wochen bis maximal 3 Monaten bestehender erstmalig aufgetretener Herzinsuffizienz mit neu aufgetretenen Herzrhythmusstörungen, AV- Block 2. oder 3. Grades oder ein Nichtansprechen auf eine symptomatische Behandlung im Zeitraum von 1- 2 Wochen und zusätzlich bestehendem dilatierten linken Ventrikel (Empfehlungsklasse I, Evidenzgrad B)
  • bestehende dilatative Herzinsuffizienz, bei der eine allergische Reaktion oder eine Hypereosinophilie vermutet wird (Empfehlungsklasse IIa, Evidenzgrad C)

Die Auswertung einer Myokardbiopsie sollte ausschließlich in speziell ausgestatteten und erfahrenen Zentren erfolgen (Schwimmbeck 2015).

Histologie: Goldstandard ist auch heute noch ein typischer histologischer Befund. Dieser typische Befund kann aber – trotz gezielter Biopsie aus den im Kardio- MRT lokalisierten late- enhancement- Arealen und Aufarbeitung der Bioptate sowohl histologisch, als auch immunhistochemisch und mittels PCR – nur bei 37 % bis max. 63 % der Patienten nachgewiesen werden (Pinger 2019).

Die 1987 erstellten Dallas- Kriterien wurden 1998 in der WHO / ISFC- Klassifikation überarbeitet. Zwei ISFC- Expertengruppen definierten die immunhistologischen Kriterien einer Inflammation des Myokards als gegeben, wenn folgende Veränderungen vorliegen (Maisch 1998):

  • > 14 Lymphozyten mm³ bzw.
  • > 14 Makrophagen / mm³ erforderlich

Koronarangiographie:  Eine Koronarangiographie sollte nur dann erfolgen, wenn sich durch die bisherigen o. g. Untersuchungen differentialdiagnostisch eine koronare Herzerkrankung nicht ausschließen lässt (Herold 2018).

Differentialdiagnose

  • Restriktive Kardiomyopathie (RCM)
  • Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)
  • Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
  • Koronare Herzerkrankung (KHK)
  • Myokardinfarkt

Der differentialdiagnostische Ausschluss einer Myokarditis ist auch nach derzeitigem Stand nicht sicher möglich. Nach Empfehlungen der ESC 2013 sollten bei allen Patienten mit dringendem V. a. eine Myokarditis, der durch die bisherige Diagnostik nicht nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden konnte, sowohl eine Koronarangiographie als auch eine Endomyokardbiopsie erfolgen (Pinger 2019).

 

Therapie

Kausale Therapie

Zu den kausalen Behandlungsmöglichkeiten zählen

  • Penicillin bei z. B. Lyme- Karditis, Diphtherie, rheumatisch bedingter Myokarditis, Chagas- Krankheit etc. (Herold 2018).
  •  antivirale Therapie: Bislang gibt es keinen Nachweis für eine Verbesserung der Prognose durch die Gabe antiviral- wirksamer Medikamente, selbst bei einer durch Myokardbiopsie nachgewiesenen Virus- DNA / RNA. Von daher kann die antivirale Behandlung derzeit nicht empfohlen werden (Herold 2018).
  • immunsuppressive Therapie: Die Gabe von Immunsuppressiva sollte ausschließlich durch Einzelfallentscheidung erfolgen, da auch hierbei bislang in Studien kein positiver Nutzen hinsichtlich der Prognose nachgewiesen werden konnte. Eine Indikation besteht aber z. B. bei virusnegativer (Nachweis durch PCR aus einer Myokardbiopsie erforderlich) chronisch- lymphozytärer Myokarditis, bei Riesenzellmyokarditis, Autoimmun- Myokarditis (Auto- AK- Nachweis erforderlich), eosinophiler Myokarditis. Es empfiehlt sich hierbei, Kontakt zu Zentren aufzunehmen, denen Behandlungsprotokolle vorliegen (Herold 2018).

Die Behandlung einer etwaig bestehenden Herzinsuffizienz sollte standardgemäß erfolgen. Sofern eine hämodynamische Instabilität auftritt, empfiehlt sich ggf. die Implantation einer ECMO (extrakorporale Membran Oxygenierung) (Pinger 2019)

Auch beim Auftreten von Arrhythmien sollte eine standardisierte Therapie erfolgen. Eine ICD- Implantation (implantierbarer Kardioverter, auch Defibrillator genannt) zur Prophylaxe wird bei weniger als 3 Monaten nach Manifestation der Erkrankung nicht empfohlen (Pinger 2019).

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) gab im Jahre 2015 eine IIa- Empfehlung für das Tragen einer ICD- Weste zwecks „bridging“ bis zur Erholung des Myokards. Auch für Patienten mit schwerer linksventrikulärer Dysfunktion und / oder mit ventrikulärer Instabilität oder mit inflammatorischer Herzerkrankung wird ein solches bridging bis zur ICD- Implantation empfohlen (Pinger 2019).

Symptomatische Therapie. Zu den symptomatischen Maßnahmen zählen:

- körperliche Schonung, solange Anzeichen einer Herzinsuffizienz bestehen (AU- Bescheinigung Herold 2018). Pinger (2019) empfiehlt eine Schonung für wenigstens 6 Monate bzw. solange bis sich die ventrikuläre Funktion wieder erholt hat. Er weist aber auch darauf hin, dass die Dauer der körperlichen Schonung bislang völlig unklar ist.

- Antikoagulantien zur Thromboseprophylaxe sind nach Herold (2018) erforderlich, sobald sich Anzeichen für eine dilatative Kardiomyopathie zeigen

- Die Gabe von NSAR sind mit einer erhöhten Mortalität verbunden (kontrollierte Studien fehlen allerdings). Dennoch wird von einer Behandlung mit NSAR abgeraten (Pinger 2019).

Herztransplantation

Bei einem unzureichendem Therapieerfolg ist die Herztransplantation die einzige Möglichkeit zur Verbesserung des Krankheitsverlaufes. Hier sollte eine frühzeitige Listung erfolgen (Herold 2018).

 

Verlauf/Prognose

Der überwiegende Teil (> 80 %) der viral bedingten Myokarditiden heilt vollständig aus.

Es können jedoch in > 80 % harmlose Rhythmusstörungen persistieren.

Bei akuten Komplikationen, wie z. B. schwerwiegenden Rhythmusstörungen, Überleitungsstörungen, Herzversagen kann es - relativ selten – zu einem letalen Verlauf kommen. Hohe Komplikationsraten finden sich vorwiegend bei Coxsackie- B- Infektion (besonders Säuglinge sind hierbei gefährdet), Diphtherie und Chagaskrankheit (Herold 2018).

Einen chronischen Verlauf finden wir bei ca. 15 % der Erkrankten. Diese Patienten entwickeln eine dilatative Kardiomyopathie mit Zeichen einer Herzinsuffizienz, wobei die granulomatös- nekrotisierende Myokarditis eine besonders schlechte Prognose mit überwiegend letalem Verlauf zeigt (Herold 2018).

Einen besonders schwerwiegenden Verlauf zeigt die intensivpflichtige fulminante lymphozytäre Myokarditis. Hier liegt die Letalität in den ersten 4 Wochen bei über 40 % (Kühl 2012).

Eine schlechte Prognose findet sich auch bei der der Riesenzellmyokarditis. Die durchschnittliche Überlebensdauer beträgt unbehandelt ca. 3 Monate (Kohl 2000). Bei ca. 70 % der Patienten ist innerhalb eines Jahres eine Herztransplantation erforderlich (Magerkurth 2008). Auch im Transplantat sind Rezidive nicht selten (Kohl 2000). Sie treten in 20% - 25 % der Fälle auf (Cooper 2012).

Selbst die nichtfulminante aktive Myokarditis zeigt durch eine progrediente Herzinsuffizienz und auch durch einen plötzlichen Herztod eine Letalität von 25% bis 56 % innerhalb von 3 bis 10 Jahren(Kühl 2012).

 

Literatur

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  3. Emminger H et al. (2010) Exaplan: Das Kompendium der klinischen Medizin. Elsevier 45 - 46
  4. Herold G et al. (2018) Innere Medizin Herold Verlag 232 – 234
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  15. Niebauer J (2015) Sportkardiologie. Springer Verlag 179- 180
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  20. Schuler G (2017) Körperliche Aktivität und Krankheit. de Gruyter Verlag 271 - 281
  21. Schumacher G et al. (2008) Klinische Kinderkardiologie: Diagnostik und Therapie der angeborenen Herzfehler. Springer Verlag 460
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