Immundefizienz 78 mit Autoimmunität, Entwicklungsstörungen und Mutationen im TPP2-GenD81.4
Synonym(e)
Definition
Die Immunschwäche-78 mit Autoimmunität und Entwicklungsverzögerung (IMD78) ist ein sehr seltenes (in wenigen Familien beschrieben), autosomal rezessiv vererbtes, systemisches Immundefizienzsyndrom, das durch eine homozygote oder compound heterozygote Mutation im TPP2-Gen (190470) auf Chromosom 13q33 verursacht wird.
Manifestation
Erstmanifestation in der frühen Kindheit.
Klinisches Bild
Die Betroffenen weisen Merkmale einer Immunschwäche auf. Es besteht eine erhöhte Anfälligkeit für bakterielle, virale und Pilzinfektionen im Nasenrachenraum sowie der Haut. Weiterhin treten autoimmunologische Phänomene wie Autoimmunzytopenien, hämolytische Anämie und Thrombozytopenie auf. Seltener sind Autoimmunhepatitis oder Schilddrüsenerkrankungen sowie Vaskulitiden des zentralen Nervensystems mit Apoplexneigung.
Parallel zu den Symptomen der Immundefizienz und der Autoimmunität werden auch globale Entwicklungsverzögerungen mit Sprachverzögerung und unterschiedlicher geistiger Behinderung nachgewiesen.
Labor
Laboruntersuchungen zeigen eine Lymphopenie mit fortgeschrittener Differenzierung und vorzeitiger Seneszenz von CD8+ T-Zellen und B-Zellen. Einige Patienten können eine Hypergammaglobulinämie aufweisen. Die Befunde deuten auf eine Dysregulation des Immunsystems hin.
Therapie
Eine hämatopoetische Knochenmarktransplantation kann kurativ sein. (Lu et al. 2014; Atallah et al. 2021).
Verlauf/Prognose
Viele Patienten sterben vorzeitig.
Fallbericht(e)
Lu et al. (2014) berichteten über vier Kinder aus zwei nicht verwandten Familien mit einer komplexen syndromalen Immunstörung. Die Patienten stellten sich im frühen Säuglingsalter mit wiederkehrenden Infektionen wie Otitis media, Infektionen der unteren Atemwege, Hepatitis und ekzematöser Dermatitis vor, die durch bakterielle, virale und mykotische Erreger verursacht wurden, darunter H. influenza, Hepatitis A, Varizellen, Herpes simplex Virus (HSV)-1, Cytomegalovirus (CMV) und Aspergillus -Spezies. Diese chronischen Infektionen führten zu Bronchiektasien und Schallleitungsschwerhörigkeit. Alle Patienten wiesen außerdem unterschiedliche schwere Autoimmunanomalien auf, darunter hämolytische Anämie, immunthrombozytopenische Purpura und autoimmune Neutropenie in Verbindung mit Autoantikörpern.
Eine Patientein entwickelte einen systemischen Lupus erythematodes des zentralen Nervensystems mit Schlaganfall, eine weitere eine schwer verlaufende Autoimmunhepatitis. Die Patienten wiesen außerdem eine leichte bis mäßige globale Entwicklungsverzögerung mit verzögertem Gehen und schlechter Sprachentwicklung auf. Laboruntersuchungen ergaben eine verminderte Anzahl zirkulierender T-, B- und NK-Zellen sowie eine Hypergammaglobulinämie. Die Werte der naiven CD8- und CD4-T-Zellen waren vermindert.
Stepensky et al. (2015) berichteten über einen 12-jährigen Jungen, der von konsanguinen palästinensischen Eltern geboren wurde und in den ersten Lebensjahren eine autoimmune hämolytische Anämie, Thrombozytopenie, Lymphadenopathie und intermittierende Splenomegalie aufwies. Weiterhin multiple Virusinfektionen mit Varizellen, CMV und humane Papillomaviren (HPV). Laboruntersuchungen ergaben erhöhte IgG- und IgM-Werte, eine leichte Leukopenie mit Lymphopenie und eine verminderte Anzahl naiver CD4+ T-Zellen und B-Zellen. Außerdem wies er eine leichte Entwicklungsverzögerung auf und benötigte eine spezielle Schulausbildung. Klinisch wurde bei dem Jungen das Evans-Syndrom diagnostiziert. Therapeutisch kurativ wurde eine hämatopoetische Stammzelltransplantation durchgeführt.
Atallah et al. (2021) berichteten über 4 Patienten aus 2 nicht verwandten Schweizer Familien mit IMD78. Die Patienten, die zwischen 5 und 27 Jahre alt waren, stellten sich im Säuglings- oder frühen Kindesalter mit wiederkehrenden Infektionen der oberen und unteren Atemwege, mit akuter Otitis media (in einem Fall mit Schallleitungsschwerhörigkeit) und Bronchiektasen vor. Sie wiesen außerdem eine episodische oder chronische Thrombozytopenie oder Panzytopenie sowie eine globale Entwicklungsverzögerung mit Sprachverzögerung und Verhaltensauffälligkeiten auf, die eine spezielle Schulausbildung erforderten. Weitere häufige Merkmale waren diffuse Livedo racemosa, brüchige Nägel, Paronychie, Dermohypodermitis, Alopezie und kutane Papillomavirus-Infektionen.
Literatur
- Atallah I et al. (2021) Immune deficiency, autoimmune disease and intellectual disability: a pleiotropic disorder caused by biallelic variants in the TPP2 gene. Clin. Genet. 99: 780-788.
- Huai J et al. (2008) Activation of cellular death programs associated with immunosenescence-like phenotype in TPPII knockout mice. Proc Nat Acad Sci 105: 5177-5182.
- Lu W et al. (2014) Dual proteolytic pathways govern glycolysis and immune competence. Cell 159: 1578-1590.
- Stepensky P et al. (2015) Early-onset Evans syndrome, immunodeficiency, and premature immunosenescence associated with tripeptidyl-peptidase II deficiency. Blood 125: 753-761.