His-Bündel-Ekg (HBE)
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Wilhelm His der Jüngere (1863 – 1934) beschrieb 1893 als Erster das nach ihm benannte His- Bündel, ein vom AV- Knoten ausgehendes Muskelbündel. Er erkannte die Funktion des atrioventrikulären Erregungsleitungssystem und erbrachte den Beweis einer AV- Muskelverbindung (Lüderitz 1993).
Im Jahre 1957 gelang es Puech als Erstem, die Potentiale am His- Bündel zu registrieren, wobei die Ableitung im Rahmen einer Katheteruntersuchung erfolgte. Es folgten ausgedehnte experimentelle Studien zum HBE und im Jahre 1969 führte Schellag die His- Bündel- Elektrographie in der Klinik ein (Lewalter 2010).
Definition
Durch Erhebung eines His- Bündel- EKGs lässt sich die PQ- Zeit des konventionellen EKGs näher spezifizieren (Herold 2022).
Einteilung
Das HBE zählt - ebenso wie das Langzeit- EKG und das Belastungs- EKG - zu den Sonderformen des EKG (Klinge 2002).
Es handelt sich beim HBE um ein invasives Verfahren einer elektrophysiologischen Untersuchung (EPU), mit deren Hilfe intrakardiale Potentiale abgeleitet werden können (Haas 2011).
Allgemeine Information
Das His- Bündel zählt zum Reizleitungssystem des Herzens. Der Reizbildungsort ist normalerweise der Sinusknoten. Von dort geht die Erregung zunächst in den rechten Vorhof. Der linke Vorhof folgt mit einer geringen zeitlichen Verzögerung. Anschließend erreicht die Erregung den AV- Knoten, der die Erregung an das His- Bündel weiterleitet und dieses wiederum an den rechten und linken Tawara- Schenkel weitergibt (Kiening 2022).
Das 12- Kanal- EKG zeichnet lediglich Depolarisation und Repolarisation auf, die vom Vorhof- und Ventrikelmyokard erzeugt werden. Ein HBE hingegen stellt die Leitung durch den AV- Knoten dar (Kasper 2015).
Durchführung
Ein Elektrodenkatheter wird transvenös direkt an das His- Bündel gelegt. I. d. R. wird der Katheter über die Femoralvene über den rechten Vorhof und die Trikuspidalklappe in den rechten Ventrikel gelegt. Auf diese Weise lässt sich zwischen Vorhof- und Ventrikel- Potential das sog. „His- Potential“ ableiten (Klinge 2002).
Ein HBE ist meistens mit einer atrialen Stimulation verbunden. Dazu wird ein weiterer transvenöser Katheter vom rechten oder linken Arm aus in den rechten Vorhof geschoben und erlaubt so die Vorgabe wählbarer Frequenzen (Lewalter 2010).
Die Ableitung eines HBE erfolgt zusammen mit einer konventionellen EKG- Ableitung (Lewalter 2010).
Durch das His- Bündel- EKG lässt sich die PQ- Zeit unterteilen in:
- AH- Zeit oder auch atrial- His- Zeit
Das AH- Intervall beginnt mit der atrialen Depolarisation und endet mit dem Beginn des His- Bündel- Potentials (Haas 2011). Die Normalzeit beträgt 0,07 – 0,11 sec (Klinge 2002).
- HV- Zeit oder His- Ventrikel- Zeit
Diese ermittelt die Zeit zwischen der His- Bündel- Erregung bis zur Erregung der Ventrikel. Sie liegt normalerweise zwischen 0,03 – 0,06 sec (Klinge 2002).
- Stimulationsversuche
Bei den Stimulationsversuchen ermöglicht zusätzlich ein in den Vorhof eingeführter Katheter (s. o.) Stimulationsversuche. Die Intervalle AH und HV werden unter steigender Herzfrequenz ausgemessen. So lässt sich erkennen, ab welcher Frequenz die HV- Leitung blockiert ist (Klinge 2002).
- Überprüfung der Wirkweise antiarrhythmischer Substanzen
Mit Hilfe des HBE ist außerdem die Überprüfung der Wirkweise antiarrhythmischer Medikamente möglich (Klinge 2002).
Indikationen
Das HBE ist von Bedeutung bei:
- AV- Überleitungsstörungen (Haas 2011)
Bei Patienten mit AV- Block kann so die Lokalisation des Blocks festgestellt werden, was große Auswirkungen auf die Prognose hat (Braun 2018).
- Arrhythmiediagnostik (Haas 2011)
- Zur Feststellung orthograder und retrograder Leitungsanomalien (Lewalter 2010) mit eventuellem Nachweis akzessorischer Leitungsbahnen (Braun 2018).
- Unklaren Synkopen (Klinge 2002)
Literatur
- Braun J, Müller- Wieland D (2018) Basislehrbuch Innere Medizin. Elsevier Urban und Fischer Verlag München 94
- Haas N A, Kleideiter U (2011) Kinderkardiologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 72 - 73
- Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 279
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1451, 1474
- Kiening M, Ohly A (2022) EKG endlich verständlich. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 8
- Klinge R (2002) Das Elektrokardiogramm: Leitfaden für Ausbildung und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 322 – 323
- Lewalter T, Lüderitz B (2010) Herzrhythmusstörungen: Diagnostik und Therapie. Springer Medizin Verlag Heidelberg 79 - 80
- Lüderitz B (1993) Geschichte der Herzrhythmusstörungen: Von der Pulslehre zum implantierbaren Defibrillator. Springer Verlag Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong / Barcelona / Budapest 93 - 95