Glukosetoleranztest

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Erstbeschreiber

Synonyme

Glukose- Screening- Test; Glukose- Challenge- Test (GCT);

 

 

Erstbeschreiber

Bereits im Jahre 1885 konnte Glukose im zirkulierenden Blut nachgewiesen werden. Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) wurde 1917 erstmals von Ivar Bang beschrieben und findet bis heute Anwendung (Jagannathan 2020).

 

 

Einteilung

Der GTT kann als oraler und als intravenöser Test erfolgen (Schäffler 2009).

Allgemeine Information

Vorbereitungen vor dem Test:

  • Hungerzustand:

Bei der Durchführung des oGTTs ist darauf zu achten, dass der Patient sich nicht im Hungerzustand befindet. Er sollte mindestens 3 Tage zuvor ≥ 150 g Kohlenhydrate / d zu sich nehmen.

  • kein Vorliegen febriler Temperaturen
  • bei Frauen nicht zum Zeitpunkt der Menstruation (von 3 d vorher bis 3 d nachher, da ansonsten falsch positive Werte auftreten können (Schäffler 2009)
  • ab 22.00 Uhr des Vortages sollten die Patienten nüchtern bleiben (Herold 2020)
  • eine vorhergehende Korrektur ist erforderlich bei:
    • Hypokaliämie
    • Hypomagnesiämie (Schäffler 2009)

 

 

Indikation

Oraler GTT (oGTT):

Für die klinische Routine wird der oGTT nicht empfohlen. Indiziert ist er bei:

  • regelhaft bei allen Schwangeren zwischen der 24. - 28. Schwangerschaftswoche (SSW) 
  • unklaren Fällen (Herold 2020)
  • zur Diagnose einer gestörten Glukosetoleranz
  • im Rahmen der Diagnostik einer Akromegalie (Herrmann 2008), da hierbei
    • Patienten in bis zu 25 % einen Diabetes mellitus entwickeln
    • in ca. 20 % einen paradoxen GH- Anstieg (groth- hormone) nach Gabe von Glukose zeigen (Kasper 2015)
  • Insulinresistenz
  • bei gestörter Funktion der Betazellen (Eyth 2021)
  • postprandialer Hypoglykämie zusammen mit weiterer Diagnostik wie z. B. bei:
    • reaktiver Hypoglykämie (reaktiver Hyperinsulinismus)
    • (Spät-) Dumping- Syndrom (Schäffler 2009)

 

Intravenöser GTT (ivGTT):

Dieser Test wird eingesetzt bei

  • V. a. Prädiabetes mellitus Typ 1 (zur Beurteilung der frühen Insulinantwort [Schäffler 2009])
  • Patienten mit strukturellen Magen- bzw. Dünndarmveränderungen (Herold 2020)

Der ivGTT wird ausschließlich in Sonderfällen eingesetzt, für die Routinediagnostik gilt er als obsolet (Nawroth 2013).

 

Testdurchführung

Die Testdurchführung erfolgt nach den Kriterien der WHO (Reinhardt 1994).

Zuerst wird der Nüchtern- BZ durch eine i. v.- Blutentnahme bestimmt. Anschließend trinkt der Patient 75 g Glukose bzw. bei Abklärung eines Schwangerschaftsdiabetes 50 g Glukose (Schäffler 2009). Bei Kindern erfolgt die Dosierung nach Gewicht: 1,75 g / kg KG, Höchstdosis 75 g (Eyth 2021). Der Trinkvorgang sollte maximal 5 min betragen (Eyth 2021). 

Beim i. v. Test erfolgt eine Bolusinjektion mit Glukose (Schäffler 2009).

Anschließend muss der Patient weiterhin nüchtern bleiben, übermäßige Flüssigkeitszufuhr meiden (Eyth 2021) und körperliche Ruhe einhalten (Herrmann 2007). 

Die BZ- Messungen im Vollblut (Herrmann 2007) erfolgen in genau definierten Zeitabständen, bei denen es unterschiedliche Möglichkeiten gibt:

  • 1. Möglichkeit:

Dieser Test dient zur Abklärung eines Schwangerschaftsdiabetes. Die Blutabnahme erfolgt nach 60 min. Sollte sich hierbei ein positives Ergebnis zeigen, werden Testmöglichkeit 2 bzw. 3 unmittelbar danach durchgeführt.

  • 2. Möglichkeit:

Dient zur Diagnose eines Diabetes mellitus. Hierbei zeigt sich i. d. R. ein bereits erhöhter Nüchternblutzucker. Die nächste Blutabnahme erfolgt erst nach 120 min.

  • 3. Möglichkeit:

Hiermit lässt sich eine gestörte Glukosetoleranz, eine verzögerte Reaktion bei der Ausschüttung von Insulin aus dem Pankreas und eine verzögerte Aufnahme von Insulin in der Leber diagnostizieren. Die Blutabnahmen erfolgen nach 30 min, 60 min, 90 min und 120 min.

(Herold 2020 / Eyth 2021)

  • 4. Möglichkeit:

Diese Möglichkeit dient der Abklärung einer postprandialen Hypoglykämie, einer Insulinresistenz bzw. eines Versagens der Betazellen. Es werden hierbei außer Glukose auch noch Insulin und C- Peptid bestimmt. Die Blutabnahmen erfolgen zusätzlich noch nach 3h und 5 h (Schäffler 2009). 

 

 

Kontraindikation

Der orale GTT ist bei Patienten mit strukturellen Magen- bzw. Dünndarmveränderungen nicht verwertbar. Hier sollte der Test intravenös erfolgen.

Der i. v. GTT ist bislang für schwangere Patienten nicht untersucht.

Falls der Nüchtern- BZ bereits erhöhte Werte zeigt, ist der oGTT kontraindiziert (Herold 2020).

 

 

Wechselwirkungen

Falsch erhöhte Blutzuckerwerte können auftreten bei:

  • längerer Bettlägerigkeit
  • Myokardinfarkt
  • Medikamenten wie z. B.:
    • Kortikosteroide
    • Östrogene
    • Saluretika (Herold 2020)
  • akute Erkrankungen mit Aktivierung der Stress- Hormone wie z. B. Infektionen, Lungenembolie, dekompensierte Herzinsuffizienz (Schäffler 2009)

 

 

Präparate

  • Dextro O.G.T. (Schäffler 2009)

 

 

Testauswertung:

  • normal:
    • Nüchtern- BZ < 100 mg / dl (< 5,6 mmol / l)
    • BZ nach 2 h < 140 mg / dl (< 7,8 mmol / l)
  • abnorme Nüchternglukose (impaired fasting glucose = IFG):
    • 100 - 125 mg / dl (5,6 - 6,9 mmol / l)
  • gestörte Glukosetoleranz (impaired glucose tolerance = IGT):
    • BZ nach 2 h  140 - 199 mg / dl (7,8 - 11,0 mmol / l)

(Herold 2020)

  • gut eingestellter Diabetes Typ 1 oder Typ 2 :
    • Nüchtern- BZ 60 - 100 mg / dl (3,3 - 5,6 mmol / l)
    • BZ nach 1 h < 200 mg / dl (< 11,1 mmol / l)
    • BZ nach 2 h < 140 mg / dl (< 7,8 mmol / l)
  • schlecht eingestellter Diabetes Typ 1 oder Typ 2 :
    • Nüchtern- BZ 100 – 125 mg / dl (5,6 – 6,9 mmol / l)
    • BZ nach 2 h 140 – 200 mg / dl (7,8 – 11,1 mmol / l)
  • Erstdiagnose Diabetes Typ 1 oder Typ 2 :
    • Nüchtern- BZ > 126 mg / dl (> 7,0 mmol / l)
    • BZ nach 2 h > 200 mg / dl (> 11,1 mmol / l)
  • Normalbefund bei Schwangeren:
    • Nüchtern- BZ < 90 mg / dl (< 5,0 mmol / l)
    • BZ nach 1 h < 130 – 140 mg / dl (< 7,2 – 7,8 mmol / l)
    • BZ nach 2 h < 120 mg / dl (6,7 mmol / l)
  • Hinweis auf einen Gestationsdiabetes :
    • Nüchtern- BZ < 95 mg / dl (< 5,3 mmol / l)
    • BZ nach 1 h > 140 mg / dl (> 7,8 mmol / l)
    • BZ nach 2 h > 120 mg / dl (> 6,7 mmol / l)

(Eyth 2021)

 

  • Prädiabetes mellitus Typ 1:

Nach der i. v. Injektion von Glukose findet sich normalerweise ein biphasischer maximaler Anstieg von Insulin und C- Peptid nach 0 – 10 min (Phase 1) und nach 11 – 60 min (Phase 2). Findet sich in Phase 1 eine Reduktion der Insulinsekretion, so ist das als ein Prädiabetes mellitus Typ 1 zu interpretieren (Schäffler 2009).

 

Hierbei finden sich erhöhte basale Werte und / oder ein überschießender Anstieg sowohl von Insulin als auch von C- Peptid nach 2 h.

Normwerte für C- Peptid:

- nüchtern ca. 0,81 – 3,85 ng / ml

- nach 1 h und nach 2 h ca. 2,7 – 5,7 ng / ml (Schäffler 2009)

 

  • Hyperinsulinämie:

Es finden sich ebenfalls erhöhte basale Werte und / oder ein überschießender Anstieg nach 2 h sowohl von Insulin als auch von C- Peptid (Normwerte s. o.). Zusätzlich besteht eine Hypoglykämie mit Werten < 60 mg / dl nach 2 – 5 h (Schäffler 2009).

 

  • Betazellversagen:

Hierbei finden sich erniedrigte basale Werte nach 2 h sowohl von Insulin als auch von C- Peptid. (Normwerte s. o.).

(Schäffler 2009)

 

  • Akromegalie:

Eine Akromegalie ist ausgeschlossen, wenn es unter dem oGTT zu einer Suppression von GH (groth hormone) < 1 ng / ml kommt bzw. es liegt ein Zustand nach OP einer Akromegalie vor. 

Für eine Akromegalie sprechen eine fehlende Suppression bzw. ein paradoxer Anstieg des GH (Schäffler 2009).

Hinweis(e)

Die Glukosekonzentration im nüchternen Zustand liegt bei venösem Blut ca. 5 – 10 % niedriger als im arteriellen Blut. Beim Kapillarblut handelt es sich um eine Mischung aus venösem und arteriellem Blut. Die Glukosewerte des Kapillarblutes liegen nüchtern ca. 5 % höher als beim venösen Blut und postprandial ca. 10 % - 15 % höher (Schäffler 2009).

Literatur

  1. Eyth E et al. (2021) Glucose Tolerance Test. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; PMID: 30422510, Bookshelf ID: NBK532915
  2. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 730
  3. Herrmann F et al. (2007) Endokrinologie für die Praxis: Diagnostik und Therapie von A – Z. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 37, 250
  4. Jagannathan R (2020) The Oral Glucose Tolerance Test: 100 Years Later. Diabetes Metab Syndr Obes. (13) 3787 - 3805
  5. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2269, 
  6. Nawroth P P (2013) Kompendium Diabetologie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 123
  7. Reinhardt R et al. (1994) Therapie der Krankheiten des Kindesalters.Springer Verlag Berlin / Heidelberg 90
  8. Schäffler A et al. (2009) Funktionsdiagnostik in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel: Indikation, Testvorbereitung und – durchführung, Interpretation. Springer Verlag Heidelberg 

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