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Funktionelle Autoantikörper
Synonym(e)
Definition
Als „funktionelle Autoantikörper“ (GPCR-AAB) werden Antikörper bezeichnet, die gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) gerichtet sind. Funktionelle Autoantikörper (GPCR-AAB) binden spezifisch an G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) Rezeptoren die auf der Oberfläche von Zellen angesiedelt sind (L. Sterin-Borda L et al. 1976; Borda E et al. 1984).
Im Gegensatz zu klassischen Autoantikörpern, die in erster Linie Immunreaktionen auslösen, die zur Zerstörung des affizierten Gewebes führen, sind die Angriffe der funktionellen Autoantikörper auf Zellen, Gewebe oder Organe nicht immer mit einer Entzündung oder Apoptose verbunden. Vielmehr lösen GPCR-AAB nach der Rezeptorbindung unkontrollierte „Rezeptor-vermittelte Signalkaskaden“ aus, die zu krankhaften Zuständen führen. Krankheiten, die mit einem solchen funktionell aktiven Autoantikörpertyp (funktionelle Autoantikörper) in Verbindung gebracht werden, werden als "funktionelle Autoantikörper-Krankheiten" bezeichnet (s.u. Einteilung).
Allgemeine Information
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) werden bei fast allen Lebewesen nachgewiesen. Beim Menschen konnten von den etwa 21 000 Genen etwa 1000 Gene als „GPCR-Gene“ definiert werden. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren vermitteln eine große Zahl von biologischen Reaktionen, beispielsweise bei der Regulation von Blutdruck und Herzfrequenz, der Verarbeitung von Licht-, Geruchs- und Geschmacksreizen, bei Zellwachstum und -differenzierung sowie bei Entzündungsprozessen. Allein schon durch die große Rezeptorzahl kann auf die große physiologische Bedeutung der GPC-Rezeptoren geschlossen werden.
Alle GPC-Rezeptoren sind integrale Membranproteine. Ihre Aminosäurenkette bildet sieben Transmembranregionen, die sich aus den extrazellulären N-terminalen und intrazellulären C-terminalen Domänen sowie drei extrazellulären und drei intrazellulären Schleifen ergeben (s. Abb.). Die klassischen physiologischen Liganden binden an eine hydrophobe Tasche im extrazellulären Domänenabschnitt eines G-Protein-gekoppelten Rezeptors. GPCRs fungieren als hochdynamische Systeme, die in einer Vielzahl von funktionell unterschiedlichen Konformationen existieren, wobei Liganden die Rezeptoraktivität durch Konformationswahl verschiedener Zustände regulieren können (Hilger D et al. 2018; Breitwieser GE 2004).
Funktionelle Autoantikörper binden an unterschiedliche Abschnitte der extrazellulären Domänen des Rezeptorproteins. Dabei konkurrieren GPCR-AABs mit den spezifischen physiologischen Rezeptor-Liganden. Nach der Bindung an den GPCR können die Autoantikörper die Aktivität der physiologischen Liganden reduzieren. Sie induzieren je nach Rezeptortyp stimulierende oder auch inhibitorische Effekte und führen damit zu einer Modulation der rezeptorvermittelten Signalkaskade mit Auswirkungen auf physiologische Funktionen.
Pathophysiologie
GPCR reagieren auf ein breites Spektrum chemischer Einheiten, das von Photonen, Protonen und Kalziumionen über kleine organische Moleküle (einschließlich Geruchsstoffen und Neurotransmittern) bis hin zu Peptiden und Glykoproteinen (einschließlich funktioneller Autoantikörper) reicht. Die klassische Rolle eines GPCR besteht darin, das Vorhandensein eines extrazellulären Agonisten zu erkennen, die Information über die Plasmamembran zu übertragen und ein zytoplasmatisches heterotrimeres G-Protein zu aktivieren, was zu einer Modulation nachgeschalteter Effektorproteine führt. Die Bindung eines extrazellulären Liganden an die extrazellulären Schleifen des Rezeptorproteins löst einen Zyklus von G-Protein-Aktivierung und -Inaktivierung aus, der auf der intrazellulären Rezeptorseite lokalisiert ist und die Aktivität von Enzymen und Ionenkanälen stromabwärts moduliert, wodurch die Bildung und Konzentration von zytosolischen Botenstoffen reguliert wird (Wang W et al. 2018).
Nach physiologischer und pharmakologischer Ligandenbindung an einen Rezeptor wird eine überschießende Rezeptormodulation durch Präventionsmechanismen wie die Rezeptor-Down-Regulation und die Desensibilisierung der Signaltransduktion kontrolliert. Dieser Kontrollmechanismus ist von entscheidender Bedeutung für eine physiologische Rezeptortätigkeit.
Derartige Kontrollmechanismen fehlen wenn GPCR-AAB an die Zielrezeptoren binden. Es wird vermutet, dass GPCA-AAB aufgrund ihrer bivalenten IgG-Struktur geeignet sind Rezeptoren zu vernetzen und dauerhaft zu aktivieren. Dies wurde für β1-AAB, für Autoantikörper, die gegen den β2-adrenergen Rezeptor (β2-AAB) und den Muscarin-2-Rezeptor (M2-AAB) gerichtet sind, nachgewiesen (Hoebeke J (1996). Folglich führen GPCR-AAB zu einem gestörten metabolischen Gleichgewicht und zu pathologischen Zuständen. Sie sind ein Schlüsselereignis bei der GPCR-AAB-assoziierten Autoimmunität.
Es ist anzunehmen, dass die GPCR-AAB-induzierte Rezeptorvernetzung eines der Schlüsselereignisse ist, die für das Fehlen von Regulationsmechanismen wie Rezeptor-Desensibilisierung und Internalisierung verantwortlich sind, mit der Folge einer übermäßigen und lang anhaltenden Rezeptorstimulation, die zu einem gestörten metabolischen Gleichgewicht und pathologischen Zuständen führen kann. Dies steht in deutlichem Gegensatz zum Zustand der Rezeptoren nach der Bindung physiologischer oder pharmakologischer Liganden, wo die Internalisierung und Desensibilisierung der Rezeptoren dem Overboarding und der lang anhaltenden Aktivierung der Rezeptoren und der Signaltransduktion entgegenwirken und so die Individuen vor einem gestörten metabolischen Gleichgewicht und pathologischen Zuständen schützen. Das Fehlen einer Tachyphylaxie wurde bei mehreren GPCR-AAB beobachtet und spielt daher sehr wahrscheinlich eine Schlüsselrolle bei der Pathogenese von GPCR-AAB-assoziierten Krankheiten (Wallukat G et al. (1999).
Es gibt Hinweise dafür, dass GPCR-Autoantikörper offenbar nur bei geschädigtem Gewebe pathogene Auswirkungen haben. Die Rezeptorstimulation durch AT1- und ETA-AAB beeinflussen bei der systemischen Sklerose unter anderem Interleukine, Sauerstoffspezies und letztlich das Gleichgewicht der Wachstumsfaktoren, Chemotaxis, Zellmigration, Proliferation, Angiogenese, Thrombose und Fibrose (Cabral-Marques O et al. 2016).
Für die Chagas-Kardiomyopathie gibt es Hinweise wie die Selbsttoleranz durchbrochen wird. Vom T. cruzi-Parasiten präsentierte Antigene, wie ribosomale P- und B13-Proteine, und tierische und menschliche Herzantigene sind kreuzreaktiv; dies betrifft die β1- und β2-adrenergen Rezeptoren sowie der Muscarin-2-Rezeptor (Cunha-Neto E et al. 2011). Die entsprechenden agonistischen Autoantikörper werden häufig bei Patienten mit Chagas-Herzinsuffizienz gefunden. Sie binden u.a. auf der ersten oder zweiten extrazellulären Schleife der β1-adrenergen Rezeptoren (Wallukat G et al. 2010, L. Sterin-Borda L et al. 1976; Borda E et al. 1984).
Antiköpernachweise können auch vielen anderen Krankheiten wie Diabetes mellitus und Alzheimer-Krankheit nachgewiesen werden. Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ II wurden α1-AAB gefunden, obwohl ihre Prävalenz bei Diabetikern nicht genau bekannt ist (Hempel P et al. 2009).
Inhibitorische GPCR-AAB wie die gegen den β2-adrenergen Rezeptor gerichteten Autoantikörper, die bei Patienten mit allergischem Asthma gefunden werden, blockieren die Rezeptoraktivierung durch entsprechende Agonisten. Diese Autoantikörper richten sich gegen die dritte extrazelluläre Rezeptorschleife (Wallukat G et al. 1991).
Klinisches Bild
Die Rolle der G-Protein-gekoppelte Rezeptoren ist in der Pathogenese und Progression der idiopathischen dilatativen Kardiomyopathie anerkannt und wird zunehmend auch bei anderen Krankheiten in Betracht gezogen. Für weitere Krankheiten mit GPCR-AAB-Positivität, wie z. B. die Thromboangiitis obliterans (Klein-Weigel P et al. 2016), das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS) (A. Fedorowski H Li et al. 2017), Demenz und Alzheimer-Krankheit, benigne Prostatahyperplasie (Müller J et al. 2017), das „Complex regional pain syndrome –CRPS (Morbus Sudeck) (Hendrickson JE 2016) sowie das bei COVID-auftretende Erschöpfungssyndrom ist die Bedeutung der GPCR-AAB-Positivität noch ungeklärt.
Therapie
Für funktionelle Autoantikörper-Krankheiten haben sich zwei verschiedene Behandlungslinien herauskristallisiert:
Eliminierung von GPCR-AAB (Plasmapherese, Immunadsorption aller Immunglobuline)
Systembehandlungen zur direkten Unterdrückung von GPCR-AAB wie:
- intravenöse IgG-Behandlung (IVIG) oder
- B-Zell-Depletion.
Hinweis(e)
GPCR-AABs werden ebenso wie die klassischen Autoantikörper mit geringer Prävalenz auch bei gesunden Personen gefunden. So finden sich β1-AAB und M2-AAB bei etwa 10% der gesunden Bevölkerung, wobei die GPCR-AAB-Titer mit dem Alter ansteigen (Liu HR et al. 1999). Die Prävalenz von β1-AAB und M2-AAB bei Gesunden scheint etwas höher zu sein als z. B. bei klassischen Autoantikörpern wie AAB gegen kardiales Myosin und Troponin (Becker NP et al. 2017).
Es ist bisher unklar, ob das Auffinden eines spezifischen GPCR-AAB bei Gesunden die Entwicklung einer der damit verbundenen Krankheiten vorhersagen kann. Bei Patienten mit systemischer Sklerodermie scheint jedoch ein höherer GPCR-AAB-Spiegel mit dem Schweregrad der Erkrankung und der Sterblichkeit der Patienten verbunden zu sein (Becker NP et al. 2017).
Literatur
- Borda E et al. (1984) A circulating IgG in Chagas’ disease which binds to beta-adrenoceptors of myocardium and modulates their activity. Clin Exp Immunol 57: 679-686
- Breitwieser GE (2004) G protein-coupled receptor oligomerization: implications for G protein activation and cell signaling. Circ Res 94: 17-27
- Becker NP et al. (2017) Cardiomyopathy - An approach to the autoimmune background. Autoimmun Rev 16: 269-286
- Cabral-Marques O et al. (2016) Riemekasten: Vascular hypothesis revisited: Role of stimulating antibodies against angiotensin and endothelin receptors in the pathogenesis of systemic sclerosis. Autoimmun Rev 15: 690-694
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