FarmerlungeJ67.0

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

Bauernlunge; Bauernlungenkrankheit; Lungenkrankheit des Landwirts; Pigeon Breeder’s Disease; Überempfindlichkeits- Pneumonitis

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Erstbeschreiber

Der Erstbeschreiber der Farmerlunge war im 17. Jahrhundert der italienische Forscher Bernadino Ramazzini. Um 1932 entfachte das Interesse um die Erkrankung erneut, als einem Beamten 5 Fälle von akutem Atemversagen auffielen (Zergham 2022).

Laut Sennekamp (2019) lässt sich die Farmerlunge sogar bis ins Jahr 1500 zurück verfolgen.

 

Definition

Unter einer Farmerlunge (FLD) versteht man eine immunologische Reaktion auf inhaliertes Antigen (Zergham 2022) aus Heu bzw. Strohstaub (Sennekamp 2006).

Die Farmerlunge zählt zu den anerkannten Berufskrankheiten der Lunge (Wiesmüller 2015).

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bislang bislang nicht beobachtet (Zergham 2022).

Einteilung

FLD kann akut bzw. subakut auftreten als sog. ASF = akute bzw. subakute Farmerlunge und chronisch als sog. CF = chronische Farmerlunge (Cano- Jimenez 2016).

Vorkommen/Epidemiologie

Bei der FLD handelt es sich um eine seltene Form der Lungenerkrankungen (Kreuter 2016). Es sind lediglich ca. 8 % der exponierten Bauern betroffen (Saloga 2006).

Es sind mehr Nichtraucher als Raucher von der Erkrankung betroffen (Wiesmüller 2015).

Die (akute / subakute) FLD tritt saisonal auf, überwiegend in den Monaten März – April (Cano- Jimenez 2017). Bei Landwirten wird die Prävalenz auf 0,2 – 1,5 % geschätzt (Soumagne 2017). Die Erkrankung wird allerdings häufig unterdiagnostiziert (Cano- Jimenez 2016).

Die exogen- allergische Alveolitis (EAA) wird am zweithäufigsten von Mikroorganismen, die sich in schimmeligem Getreide (Kasper 2015), Heu oder Silage befinden und zu einer Farmerlunge (FLD) führen können, ausgelöst (Herold 2022). Über die Epidemiologie ist wenig bekannt (Cano- Jimenez 2016).

FLD stellt außerdem die häufigste Form der Hypersensitivitäts- Pneumonitis (HP) dar (Bellanger 2010).

Ätiopathogenese

Die Farmerlunge wird verursacht durch den Kontakt mit folgenden Antigenen aus schimmeligen Getreide, Heu oder Silage (Kasper 2015):

- Absidia corymbifera

- Eurotium amstelodami

- Saccharopolyspora rectivirgula (Herold 2022)

Saccharopolyspora rectivirgula stellt den bekanntesten und häufigsten Erreger der exogen- allergischen Alveolitis wie z. B. der Farmerlunge dar (Zahradnik 2018).

- Thermoactinomyces vulgaris (Herold 2022)

Als Bioaerosol finden sich thermophile Actinomyceten und Aspergillus sp. (Wiesmüller 2015)

 

Pathophysiologie

Die Pathobiologie ist bislang nicht vollständig geklärt. Es spielen zusätzlich sicherlich auch individuelle und genetische Faktoren eine Rolle (Schweisfurth 2019).

Durch inhalierte Antigene kommt es zu einer Entzündung in den Atemwegen und interstitiellen Räumen. Dadurch treten Fieber und Myalgien auf. Durch die Einschränkung der Diffusion kommt es zu einer Hypoxie (Zergham 2022).

Die Entzündung wird zunächst durch eine Immunkomplex- vermittelte Überempfindlichkeit (Typ- III- Reaktion) ausgelöst. Dadurch kommt es zum Auftreten von Granulomen. Bei anhaltender akuter Exposition sind im Serum spezifische IGG- Antikörper gegen das inhalierte Antigen in teilweise hohen Titern nachweisbar (Zergham 2022).

Wenn die Exposition weiter anhält, kommt es zu einem chronischen Verlauf in Form einer T- Zell- vermittelten Typ IV- Reaktion. Diese führt zu einer Fibrose (Zergham 2022).

Lokalisation

In asiatischen Ländern liegt die Prävalenz deutlich höher als in europäischen Ländern. Neben geografischen Bedingungen spielen Jahreszeit, örtliche Gepflogenheiten und die Nähe zur Exposition eine Rolle (Zergham 2022).

Die klimatischen Bedingungen in Nordspanien begünstigen die Entwicklung der Erkrankung ebenfalls (Cano- Jimenez 2016).

Klinisches Bild

Die klinischen Symptome unterscheiden sich, je nach Länge und Schwere des Kontakts (Cano- Jimenez 2016).

- Akute Exposition mit hoher Antigenkonzentrationen (Cano- Jimenez 2016):

       - Fieber

       - Dyspnoe (Duprez 2020)

       - Myalgien

       - Hypoxie

       - trockener Husten (Zergham 2022)

Die akuten Symptome treten typischerweise erst 4 – 8 Stunden nach der Exposition auf (Kasper 2015).

 

- Chronische Exposition über einen längeren Zeitraum:

       - fortschreitende Dyspnoe

       - Husten

       - Müdigkeit

       - Gewichtsverlust (Kasper 2015)

Hierbei finden sich außerdem Zeichen eines Lungenemphysems (Kreuter 2016).

 

Diagnostik

Es gibt bislang weltweit kein anerkanntes etabliertes diagnostisches Kriterium der FLD. Eine ausführliche Anamnese zusammen mit der Expositionsgeschichte, hochauflösende Computertomographie (HRCT) und eine ausgeprägte Lymphozytose sind die Hauptkriterien.

Daneben sollten erfolgen:

- enzymgekoppelter Immunadsorptionstest (ELISA) zur Serum- Antikörper- Evaluierung (die Antikörper sind nach Beendigung der Exposition bis zu 10 Jahre nachweisbar)

- Antigennachweis

- Sputumkulturen

- transbronchiale Biopsie (TBLB) ist nicht immer sinnvoll, da die Hälfte der Befunde unspezifisch sind

- transbronchiale Kryobiopsie (TBLC) dient der Beurteilung fibrotischer Veränderungen (Zergham 2022)

 

- Auskultation

Bisweilen inspiratorisches Knistern (Soumagne 2017)

Bildgebung

- HRCT

Mit dieser Untersuchung ist es möglich zwischen akuten und chronischen Verläufen zu differenzieren (Zergham 2022):

- Akute Verlaufsform

     - diffuse Milchglastrübungen

     - zentrilobuläre Knötchen

     - Lufteinschlüsse

     - Mosaikmuster

- Chronische Verlaufsform

     - Milchglastrübungen

     - Hinweise auf eine pulmonale Hypertonie

     - Dominanz des Oberlappens

     - Verdickung des Septums

     - Bronchiektasen

     - mitunter emphysematische Veränderungen

     - Fibrose

Labor

- Antigen- Tests

Diese zeigen eine Empfindlichkeit gegenüber spezifischen Antigenen der exogen- allergischen Alveolitis  (Cano- Jimenez 2016). Am häufigsten finden sich mit 63 % IgG- Antikörper gegen Aspergillus fumigatus, gefolgt von 57 % gegen S. rectivirgula (Zahradnik 2018).

 

- Bronchoalveoläre Lavage

Hierbei zeigt sich typischerweise eine lymphozytäre Alveolitis (Cano- Jimenez 2016).

Bei der chronischen, persistierenden Verlaufsform verschwindet i. d. R. die lymphozytäre Alveolitis (Soumagne 2017).

 

- Lungenfunktion

In der Lungenfunktion finden sich

- eine Beeinträchtigung von TLCO (Transferfaktor für Kohlenmonoxid)

- eine Atemwegsobstruktion (Soumagne 2017).

- FEF (forcierter mittelexspiratorischer Fluss) mit 25 – 75 % erniedrigt (Zergham 2022)

 

Histologie

Bei der chronischen Verlaufsform der FLD findet sich häufig eine Lungenfibrose (Soumagne 2017).

Differentialdiagnose

Die Differentialdiagnosen sind bei der FLD zahlreich:

- organisches staubtoxisches Syndrom

- akute Viruserkrankungen

- COPD bei aktiven Rauchern

- kombinierte Lungenfibrose und Emphysem bei Rauchern (Zergham 2022)

Komplikation(en)

- Lungenemphysem

Dieses war bei der SOPHIA- Studie bei 48,5 % der Patienten mit aktiver FLD nachweisbar. Lokalisiert ist es vorwiegend zentrilobulär und in den oberen Lappen. Eine Lungenüberblähung fand sich bei diesen Patienten nicht. Risikofaktoren bei der aktiven Farmer’s lung sind wahrscheinlich eine längere Expositionsdauer auf einem höheren Niveau (Soumagne 2017).

- Fibrotische Veränderungen

Diese sind bei der chronischen Verlaufsform in der Literatur zahlreich beschrieben, allerdings ist das Risiko für die Entwicklung eines Emphysems laut epidemiologischer Studien deutlich höher (Soumagne 2015).

Therapie allgemein

Die Behandlung besteht in erster Linie in einer dauerhaften Vermeidung der Antigene (Cano- Jimenez 2016).

- 1. Akute Verlaufsform:

- Kortikosteroide

Die Gabe von Kortikosteroiden kann lediglich zur rascheren Heilung der akuten Form führen. Einen Einfluss auf das Fortschreiten der Erkrankung oder eine Verminderung der Letalität kann hiermit nicht erreicht werden (Cano- Jimenez 2016).

- Immunsuppressiva

Bislang gibt es keine Bewertungen einer Therapie mit Immunsuppressiva (Cano- Jimenez 2016).

Zergham (2022) beschreibt eine Verbesserung des TLCO durch eine Behandlung mit Mycophenolat. Hier sind aber weitere Studien erforderlich.

- 2. Chronische Verlaufsform:

Bei der chronischen Verlaufsform können erforderlich werden:

- Sauerstoffergänzung

- Impfungen

- Diuretika

- nichtinvasive Beatmung

- Lungentransplantation als letzte Behandlungsoption (Zergham 2022)

Verlauf/Prognose

Die Prognose hängt in erster Linie vom Stadium der Erkrankung ab. Von daher ist eine frühzeitige Diagnose von entscheidender Bedeutung.

Eine Vermeidung der Antigenexposition kann das Fortschreiten der Erkrankung verhindern.

Bei bis zu 2/3 der Patienten persistieren auch 5 Jahre nach der akuten Episode die Symptome. Betroffene mit 5 oder mehr Symptomrezidiven weisen normalerweise eine fortschreitende und signifikante Schädigung des Lungengewebes auf (Zergham 2022).

Die Letalitätsrate liegt bei 1 %, die durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnosestellung beträgt 8 Jahre (Zergham 2022).

 

Prophylaxe

Bislang werden präventive Maßnahmen i. d. R. stark vernachlässigt. Zu ihnen zählen z. B.:

- motorbetriebener Staubschutzhelm

- Vermeidung einer Exposition (Zergham 2022)

 

Hinweis(e)

Rauchen hat nachweislich eine protektive Wirkung auf eine Farmerlunge (Bellanger 2020).

Literatur

  1. Bellanger A P, Reboux G (2020) Studying smoking benefit in farmer’s lung to understand Covid-19. Occupational Medicine 70 (9= 620 – 621
  2. Borchers A T, Chang C, Gershwin M E (2017) Mold and Human Health: a Reality Check. Clin Rev Allergy Immunol. 52 (3) 305 - 322
  3. Cano- Jimenez, E, Acuna A, Botana M I, Hermida T, Gonzales M G, Leiro V, Martin I, Paredes S, Sanjuan P (2016) Farmer's Lung Disease. A Review. Arch Bronconeumol. 52 (6) 321 - 328
  4. Duprez M, Soumagne T, Maitre J, Reboux G, Dalphin J C (2020) L'association inhabituelle de deux maladies pulmonaires immunoallergiques: A case of farmer's lung associated with allergic bronchopulmonary aspergillosis. Rev Mal Respir. 37 : 80 - 85
  5. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 400
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1681 - 1683
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  8. Saloga J, Klimek L, Buhl R, Mann W, Knop J et al. (2006) Allergologie- Handbuch: Grundlagen und klinische Praxis. Schattauer Verlag Stuttgart / New York 500
  9. Schweisfurth H (2019) Exogen- allergische Alveolitis durch Schimmelpilze. Allergologie 42 (8) 371
  10. Sennekamp J et al. (2006) Empfehlungen zur Diagnostik der exogen−allergischen Alveolitis Arbeitsgemeinschaft Exogen−Allergische Alveolitis der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI). Pneumologie 61, 52 – 56
  11. Sennekamp J (2019) Aus der Geschichte der Allergologie: Die exogen – allergische und die toxische Alveolitis. Allergologie 314 - 323
  12. Soumagne T, Degano B, Dalphin J C (2015) Chronic Farmer's lung disease with emphysema. Rev Mal Respir. 32 (3) 275 - 278
  13. Soumagne T et al. (2017) Emphysema in active farmer’s lung disease. Plos one 12 (6) e0178263
  14. Wiesmüller G A et al. (2015) AWMF-Schimmelpilz-Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen" AWMF-Register-Nr. 161/001 – Endfassung.
  15. Zahradnik E, Sander I, van Kampen V, Brüning T, Raulf M (2018) Entwicklung eines Immunoassays zur Quantifizierung von Saccharopolyspora- Antigen. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 144 - 148
  16. Zergham A S, Heller D (2022) Farmers Lung. StatPearls Treasure Island StatPearls Publishing Bookshelf ID: NBK557580

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