Familiäre HypobetalipoproteinämienE78.6

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Familial hypobetalipoproteinemia, FHBL; Familiäre Hypobetalipoproteinämie; Hypobetalipoproteinämie familiäre; OMIM 246700; OMIM 604774; ORPHA 31154

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Definition

Unter „ Famililärer Hypobetalipoproteinämie“ wird eine Gruppe genetisch differenter, phänotypisch übereinstimmender, hereditärer Krankheiten des Lipoprotein-Stoffwechsels zusammengefasst, die mit dauerhaft niedrigen Spiegeln von

  • Apolipoprotein B
  • und
  • LDL-Cholesterin einhergehen.

Die familiäre HBL kann entweder, schwer mit frühem Beginn (Abetalipoproteinämie / Homozygote Familiäre Hypobetalipoproteinämie) oder benigne (Benigne Familiäre Hypobetalipoproteinämie), mit abgemildertem  Verlauf oder klinisch inapparent verlaufen.

Einteilung

Ursächlich sind autosomal-dominant vererbte Mutationen, die Synthese, Sekretion und Katabolismus von Apolipoprotein B enthaltenden Proteinen (LDL, VLDL und Chylomikronen) beeinträchtigen.

  • Die Abetalipoproteinämie wird autosomal-rezessiv vererbt und ist Folge von Mutationen im MTTP-Gen (4q22-q24).
  • Die schwere frühe familiäre Hyperlipoproteinämie wird kodominant vererbt und wird verursacht durch Mutationen im APOB-Gen (2p24.1).
  • Die benigne familiäre HBL wird kodominant vererbt. Sie ist durch heterozygote Mutationen im APOB-Gen und im PCSK9-Gen (1p34.1-p32) verursacht. Das PCSK9-Gen (Proproteinconvertase subtilisin-like kexin type 9) kodiert für eine Serinprotease.
  • Die CMRD wird autosomal-rezessiv vererbt und ist verursacht durch Mutationen im Gen für die GTPase SARA2 (SAR1B; 5q31.1).

Vorkommen/Epidemiologie

Die Prävalenz der FHBL beträgt für die heterozygote Form der familiären Hypobetalipoproteinämie zwischen 1:1.000 bis 1:3.000 Personen. Die homozygote Form ist extrem selten.

Ätiopathogenese

Es liegen unterschiedliche Mutationen in folgenden Genen vor:

  • MTTP-Gen (Microsomal triglyceride transfer protein ) Abetalipoproteinämie
  • APOB-Gen (Apolipoprotein-B-Gen) – Famililäre Hypobetalipoproteinämie
  • PCSK9-Gen (Proproteinconvertase subtilisin-like kexin type 9)
  • ANGPTL3-Gen (Angiopoietin-Related Protein 3)
  • GTPase SARA1B (Secretion Associated Ras Related GTPase 1B)
  • Chylomicron retention disease
  • Weitere Mutationen, deren Genloci noch nicht identifiziert sind bekannt.

Mutationen im MTP-Gen (Microsomal triglyceride transfer protein) das für das Mikrosomales Triglycerid-Transferprotein kodiert, verursachen eine Abetalipoproteinämie (OMIM 200100; Wetterau JR et al.1992). MTP katalysiert den Transport und Einbau von Triglyzeriden, Cholesterinestern, Phospholipiden und Retinylpalmitat (Vitamin A) in die Plasmalipoproteine, die mit Apolipoprotein B (Apo B) assoziiert sind (VLDL, IDL, LDL, Chylomikronen).

Mutationen im Apolipoprotein-B-Gen können zu verkürzten funktionell veränderten Apolipoprotein-B-Molekülen führen. Diese werden daraufhin schneller katabolisiert. Die Apolipoprotein-B-Konzentration im Blutplasma reduziert sich um etwa 25-30% des Normwertes.

Bei Mutationen im ANGPTL3-Gen (Angiopoietin-Related Protein 3) (OMIM: 604774) liegen die Apolipoprotein B-Werte etwa 50% unterhalb der Norm. Das durch das ANGPTL3-Gen kodierte Protein ANGPTL3 wird von der Leber produziert und hemmt einerseits die endogene Lipase die Fette aufspaltet, andererseits die Lipoproteinlipase, die triglyzeridreiche Lipoproteine aus dem Blutkreislauf entfernt. Versch. Mutationen, die mit einem Funktionsverlust von ANGPTL3 einhergehen, führen zu einem Phänotyp mit stärkerem Fettabbau und zu einer rascheren Entfernung von Lipoproteinen aus dem Blut. Laborchemisch zeigen Menschen mit komplettem Funktionsverlust von ANGPTL3 sehr niedrige Serumspiegel der Triglyceride  LDL und HDL.

Missense-Mutationen im PCSK9-Gen (Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin Type 9) führen zu einer Funktionsänderung der PCSK9- Serinprotease (Berge KE et al. 2006). Die Serinprotease reguliert den Abbau von LDL-Rezeptoren (LDLRs) in der Leber und damit indirekt die Menge des LDL im Blutplasma. Die Folge dieser Missense-Mutation ist eine gestörte Abbaurate der LDRLs und damit eine Verlängerung ihrer Wirkdauer. Somit sinkt die LDL-Konzentration im Blutplasma sinkt.

Autosomal-rezessive Mutationen im GTPase SARA1B-Gen (Secretion Associated Ras Related GTPase 1B) sind ursächlich für die Chylomikronen-Retentions-Krankheit (Chylomicron retention disease-; CMRD;  Andersen-Krankheit; OMIM: 246700). Die SARA1B – Mutation führt zur Anhäufung von Prächylomikronen-Transportversikeln im Zytoplasma der Darmzellen. Die Folge ist u.a. eine mangelnden Resorption fettlöslicher Vitamine (z.B. Vitamin A, E und K). Zur Behandlung gehören Supplementierung mit fettlöslichen Vitaminen und großen Mengen von Vitamin E. Vitamin A in Kombination mit Vitamin E kann zur Verhütung ophthalmologischer Komplikationen beitragen. Durch frühe Behandlung mit Vitamin D ist die Prävention einer Osteopenie möglich.

Diagnose

Oftmals fallen die Patienten nur durch eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) und eine Erhöhung der Transaminasen im Blutplasma auf. Im Laborbefund ist der LDL-Wert erniedrigt und der HDL-Wert normal. Möglich sind eine Hypocholesterinämie und eine Hypotriglyzeridämie. Die Diagnose der CMRD beruht auf dem Befund des Fehlens des intestinalen Apolipoprotein B (ApoB-48) nach oraler Lipidbelastung und dem endoskopischen Nachweis eines 'weißen Darms'.

Differentialdiagnose

Stoffwechselkrankheiten mit hepatischer Überlast, mit Steatose und/oder Hepatomegalie, atypische Verläufe von Krankheiten des zentralen und peripheren Nervensystems und sekundäre Ursachen einer Hypercholesterinämie.

Literatur

  1. Berge KE et al. (2006) Missense mutations in the PCSK9 gene are associated with hypocholesterolemia and possibly increased response to statin therapy. Arterioscler Thromb Vasc Biol 26:1094-1100.
  2. Jones B et al. (2003) Mutations in a Sar1 GTPase of COPII vesicles are associated with lipid absorption disorders. Nat Genet 34:29-31.
  3. Wetterau J R et al.(1992) Absence of microsomal triglyceride transfer protein in individuals with a betalipoproteinemia. Science 258: 999-1001

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024