- Indikationen zur Durchführung der Einsekundenkapazität sind:
- Erkennen einer Obstruktion, verursacht durch z. B. Asthma bronchiale, COPD, Bronchiektasen, Silikose, zystische Fibrose, Lungenparenchymerkrankungen wie z. B. Sarkoidose, Stenose im Bereich der großen Atemwege wie z. B. durch einen Tumor (Criée 2014)
- Screening bei Rauchern
- arbeitsmedizinische Kontrolle
- Therapiekontrolle bronchopulmonaler Erkrankungen
- Verlaufskontrolle bronchopulmonaler Erkrankungen (Bösch 2019)
- Beurteilung der funktionellen Operabilität (Hahn 2010):
- FEV1 > 2 l: kein erhöhtes respiratorisches Risiko
- FEV1 0,8 - 2 l: erhöhtes perioperatives Risiko
- FEV1 > 0,8 l: hohes Operationsrisiko, unabhängig von arteriellen Blutgasen (Larsen 2018)
- Absolute Kontraindikationen:
Eine absolute Kontraindikation stellen alle lebensbedrohlichen Erkrankungen dar wie z. B.:
- akute fulminante Lungenembolie
- akuter Myokardinfarkt (in den ersten 6 Wochen [Bösch 2019])
- Spannungspneumothorax
- großes aszendierendes Aortenaneurysma (Criée 2014)
- zerebrales Aneurysma (Bösch 2019)
- Relative Kontraindikationen:
- Abdomen- / Thoraxoperation innerhalb der ersten 1 – 4 Wochen (abhängig vom jeweiligen Befund)
- ausgedehnter Pneumothorax in den ersten Wochen
- Hirn-, Augen-, Ohrenoperation (hier sollte man mit dem Operateur Rücksprache halten, da der Zeitraum variabel ist
- Hämoptysen unklarer Genese (Criée 2014)
- Nachteile der Einsekundenkapazität:
- negatives Ergebnis trotz bestehender Obstruktion (hier sind weitere Untersuchungen wie z. B. Ganzkörperplethysmographie (GKP), Diffusionskapazität, quantitatives CT etc. erforderlich (Criée 2014)
- das Ergebnis der Untersuchung ist stark abhängig von der Mitarbeit des Patienten (Herold 2022). Sollte man den V. a. eine verminderte VC durch fehlende Mitarbeit haben, ist eine Bodyplethysmographie zur Bestimmung der TLC angezeigt(Bösch 2019).
Vor der Untersuchung sollte der Patient beengende Kleidungsstücke ablegen bzw. öffnen, Bestimmung der Körpergröße. Die eigentliche Untersuchung findet im Sitzen statt. Nach Anlegen einer Nasenklemme erhält der Patient das Mundstück des Strömungssensors (Criée 2014).
Der Patient sollte nun gleichmäßig ein- und ausatmen, um sich an die Apparatur zu gewöhnen. Anschließend wird er aufgefordert, zügig maximal einzuatmen und dann sofort schnellstmöglich maximal auszuatmen (Herold 2022).
Bei der maximalen Inspiration lässt sich die inspiratorische Vitalkapazität (VK) messen, bei der forcierten Ausatmung die forcierte Vitalkapazität (FVC) und innerhalb der 1. Sekunde der forcierten Ausatmung das „forcierte exspiratorischeVolumen in der 1. sec“ (FEV1 [Herold 2022]).
FEV 1 entspricht der absoluten Einsekundenkapazität (Saloga 2012).
Neben dem gemessenen Absolutwert spielt auch noch die auf den Ist- FVC (gesamte ausgeatmete Luftmenge [Kasper 2015]) bezogene relative Einsekundenkapazität eine Rolle (Hahn 2010).
Die relative Einsekundenkapazität beschreibt das nach forcierter Ausatmung in der 1. sec gemessene Atemvolumen im Verhältnis zur Vitalkapazität: FEV1 / FVC in % (Bösch 2019).
FEV1 / FVC in % entspricht dem Tiffeneau- Index (Lohr 2002), beschreibt die Ist- Kapazität in % (Hahn 2010).
Die Untersuchung wird 3 x wiederholt. Dabei sollte die Differenz der einzelnen Messungen für FEV1 und FVC jeweils nicht mehr als 5 % betragen (Criée 2014).
Gemessen wird der FEV1- Wert:
- vor und 15 min nach Gabe eines kurzwirksamen Beta- Mimetikums wie z. B. max. 400 µg Salbutamol
- vor bzw. 30 min nach einer Inhalation mit einem schnell wirksamen Anticholinergikum wie z. B. 160 µgIpratropiumbromid (Criée 2014)
Man spricht dann von einem verminderten Ausatmungsvolumen, wenn der Index < 70 % des vorhergesagten Wertes liegt (Kasper 2015). Zu beachten ist dabei, dass die Sollwerte für FEV1 altersabhängig sind (Herold 2022).
Wenn der FEV1- Wert vermindert ist, spricht man von einer Einschränkung der ventilatorischen Flussreserve (Herold 2022). Falls dies der Fall ist, sollte der Quotient FEV1- Wert / VC berechnet werden. Ist der Quotient normal, spricht das für eine Restriktion. Ist der Quotient erniedrigt, für eine Obstruktion (Jünger 2005).
Obstruktion:
Bei einer Obstruktion kommt es im Rahmen des forcierten Atemmanövers zu einem frühzeitig einsetzenden Verschluss der kleinen Atemwege, wodurch die Luft peripher gefangen wird (Saloga 2012), auch bezeichnet als sog. „air- trapping- Phänomen“ (Herold 2022). Dadurch entsteht eine Differenz zwischen der inspiratorischen Vitalkapazität und der forcierten exspiratorischen Vitalkapazität (Saloga 2012).
Der Tiffeneau- Index liegt bei einer Obstruktion unterhalb der 5. Perzentile (Kasper 2015), d. h. wenn FEV1 / FVC < LLN (< 5. Perzentile) (LLN = unter normalem Limit) beträgt (Criée 2014). Der Schweregrad einer Obstruktion kann ebenfalls bestimmt werden:
- leichtgradig bei einem FEV1 ≥ 85 % LLN
- mittelgradig bei einem FEV1 < 85 % LLN und ≥ 55 % LLN
- schwergradig bei einem FEV1 < 55 % LLN (Criée 2014)
Die Einteilung des Schweregrades für eine COPD nach GOLD:
FEV1 / FVC: < 70 %
FEV1 (%vom Soll): > 80 %
FEV1 / FVC: < 70 %
FEV1 (%vom Soll): 50 - 80 %
- Schweregrad III (schwer):
FEV1 / FVC: < 70 %
FEV1 (%vom Soll): 30 - 50 %
- Schweregrad IV (sehr schwer):
FEV1 / FVC: < 70 %
FEV1 (%vom Soll): < 30 % (Bösch 2019)
- Kombinierte Bewertung der COPD laut Leitlinie:
- A 1: FEV1 > 80 % des Sollwertes, wenig Symptome
- A 2: FEV1 < 80 % des Sollwertes, wenig Symptome
- B 1: FEV1 > 80 % des Sollwertes, viele Symptome, 0 – 1 Exazerbation bzw. stationäre Behandlung / Jahr
- B 2: FEV1 < 80 % des Sollwertes, viele Symptome, 0 – 1 Exazerbation bzw. stationäre Behandlung / Jahr
- C 3: FEV1 30 – 50 % des Sollwertes, hohes Risiko, wenig Symptome, > 1 Exazerbation bzw. stationäre Behandlung /Jahr
- C 4: FEV1 < 30 % des Sollwertes, hohes Risiko, wenig Symptome, > 1 Exazerbation bzw. stationäre Behandlung / Jahr
- D 3: FEV1 30 - 50 % des Sollwertes, hohes Risiko, viele Symptome, > 1 Exazerbation bzw. stationäre Behandlung / Jahr
- D 4: FEV1 < 30 % des Sollwertes, hohes Risiko, viele Symptome, > 1 Exazerbation bzw. stationäre Behandlung / Jahr(Criée 2014)
Als Ursache für einen verminderten FEV 1 kommen in Frage:
- Herabsetzung der Retraktionskraft in der Lunge
- Schwäche der Atemmuskulatur
- Endobronchiale Obstruktion
- Exobronchiale Obstruktion (Herold 2022)
- Emphysem:
Hierbei ist ebenfalls der FEV1- Wert erniedrigt, es findet sich aber frühexpiratorisch ein Knick mit einem anschließenden flacheren Kurvenverlauf. Dies wird auch als „check valve- Phänomen“ bezeichnet. Bei instabilen Atemwegen wie es z. B. beim Emphysem der Fall ist, kommt es zu einem exspiratorischen Kollaps der kleinen Bronchiolen (Herold 2022).
Falls es bei einer Spirometrie zu einer symmetrischen Abnahme von FEV1 und FVC kommt, sollten weitere Tests durchgeführt werden wie z. B. Diffusionskapazität der Lunge, Messung des Lungenvolumens etc. (Kasper 2015).
- Artefaktisch normaler FEV1- Wert:
Es ist z. B. möglich, dass trotz Vorliegen einer Obstruktion der FEV1- Wert „normal“ ist und zwar dann, wenn der TLC- Wert mehr als 100 % beträgt (Kasper 2015).
Restriktion:
Bei einer restriktiven Ventilationsstörung besteht eine Erniedrigung der Vitalkapazität (VK [Saloga 2012]), die totale Lungenkapazität (TLC) ist normal (Jünger 2013) und der FEV1 / FVC liegt i. d. R. oberhalb der Altersnorm (Saloga 2012).
Bei einer ausgeprägten Restriktion kann zwar der FEV1- Wert ebenfalls gemindert sein, der Tiffeneau- Index ist jedoch normal (Herold 2022).