DünndarmendometrioseN80.5

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

Endometriosis

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Erstbeschreiber

Im Jahre 1690 wurde durch den deutschen Arzt Schroen wahrscheinlich erstmals eine Endometriose beschrieben. Der Wiener Pathologe von Rokitansky veröffentlichte 1860 die erste histologische Beschreibung. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts fanden sich durch Sampson erstmals Hinweise auf eine lymphatische und / oder vaskuläre Metastasierung der Endometriumzellen (Samartzis 2012).

Intestinale Endometriosen wurden erstmals von de Joselin de Jong im Jahre 1913 beschrieben.

Masson berichtete 1945 als Erster über 35 Patientinnen mit Dünndarmendometriose (Kraatz 1977).

 

 

Definition

Unter einer Endometriose versteht man eine ektope Wucherung von Gebärmutterschleimhautdrüsen und Interstitium. Es handelt sich dabei um eine fortschreitende Erkrankung von Frauen im gebärfähigem Alter (Koyama 2021).

 

 

Einteilung

Die Dünndarmendometriose zählt zu den gutartigen Tumoren des Darms (Herold 2022).

Es gibt zahlreiche Klassifikationen der Endometriose. Am weitesten verbreitet sind folgende beide: 

  • Klinische intraoperative Klassifikation der American Society for Reproductive Medicine, der rASRM- Score:
    • Peritoneum: 
      • < 1 cm oberflächlich = 1 Punkt
      • 1 – 3 cm oberflächlich = 2 Punkte
      • > 3 cm oberflächlich = 4 Punkte
      • < 1 cm tief = 2 Punkte
      • 1 – 3 cm tief = 4 Punkte
      • > 3 cm tief = 6 Punkte
    • Ovar- Endometriose:
      • < 1 cm oberflächlich, links oder rechts = 1 Punkt
      • 1 – 3 cm oberflächlich, links oder rechts = 2 Punkte
      • > 3 cm oberflächlich, links oder rechts = 4 Punkte
      • < 1 cm tief, links oder rechts = 4 Punkte
      • 1 – 3 cm tief, links oder rechts = 16 Punkte
      • > 3 cm tief, links oder rechts = 20 Punkte
    • Ovarielle Adhäsionen: 
      • < 1/3 dünn, links oder rechts = 1 Punkt
      • 1/3 – 2/3 dünn, links oder rechts = 2 Punkte
      • > 2/3 dünn, links oder rechts = 4 Punkte
      • < 1/3 dicht, links oder rechts = 4 Punkt
      • 1/3 – 2/3 dicht, links oder rechts = 8 Punkte
      • > 2/3 dicht, links oder rechts = 16 Punkte
    • Tubare Adhäsionen:
      • < 1/3 dünn, links oder rechts = 1 Punkt
      • 1/3 – 2/3 dünn, links oder rechts = 2 Punkte
      • > 2/3 dünn, links oder rechts = 4 Punkte
      • < 1/3 dicht, links oder rechts = 4 Punkt
      • 1/3 – 2/3 dicht, links oder rechts = 8 Punkte
      • > 2/3 dicht, links oder rechts = 16 Punkte
    • Distaler Tubenverschluss: = 16 Punkte
    • Obliteration des Douglas- Raumes: 
      • partiell = 4 Punkte
      • vollständig = 20 Punkte

Ergebnis:

- Stadium I: 1 – 5 Punkte

- Stadium II: 6- 15 Punkte

- Stadium III: 16 – 40 Punkte

- Stadium IV: > 40 Punkte (Burghaus 2020)

 

  • Klinische Klassifikation der Endometriose nach Renner et al:
    • Peritoneale Endometriose
    • Ovarielle Endometriose
    • Tief infiltrierende Endometriose (z. B. Darm, Douglas, Vagina, Narbe, Haut und weitere seltene Lokalisationen)
    • Adenomyosis uteri (Burghaus 2020)

Weitere Klassifikationen s. Leitlinie 

Die Dünndarmendometriose zählt zu Stadium IV (extragenitale Endometriose [Ebert 2011])

 

 

Vorkommen/Epidemiologie

Benigne Dünndarmtumoren, zu denen die Dünndarmendometriose zählt, treten mit < 5 % nur sehr selten auf (Herold 2022). 

Die Prävalenz der Endometriose im Allgemeinen liegt bei Frauen im reproduktiven Alter zwischen 4 – 10 % , zuzüglich asymptomatischer Patientinnen (Chivia 2020). Damit stellt die Endometriose eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen dar (Burghaus 2020).

Betroffen sind vorwiegend Frauen zwischen 35 – 44 Jahren. Man findet eine familiäre Häufung, weshalb hormonelle und genetische Aspekte wahrscheinlich eine Rolle spielen.

Eine Darmendometriose wird bei ca. 10 % der betroffenen Patientinnen gefunden (Burghaus 2020).

Ätiopathogenese

Bislang ist die Ätiologie einer Endometriose unklar. Es existieren mehrere Theorien (Mehmood 2021).

Die wichtigste Hypothese wurde von Sampson 1927 aufgestellt. Dieser beobachtete, dass Menstruationsblutungen während einer Operation aus dem Eileiter zurückfließen und schloss daraus deren Einnistung in das nahe gelegene Peritoneum (Koyama 2021).

Risikofaktoren für das Entstehen einer Endometriose sind: 

- Zyklusdauer ≤ 27 d

- Periodendauer

- Anzahl der Fehlgeburten

- Anzahl der Schwangerschaften (Burghaus 2020)

 

 

Pathophysiologie

Endometrium- Gewebe reagiert auf Hormone – unabhängig von der Lokalisation. Es kann sich zu Zysten und Knötchen vermehren. 

Die Ablagerungen sind i. d. R. < 2 cm groß. Im Dünndarm beeinflusst die Endometriose vermutlich die Serosa. Es kann hier zu einer chronischen Entzündung kommen, die als Folge zu einer Fibrose führt. Durch diese Fibrose lassens sich dieunten geschilderten Symptomen erklären (s. „Klinisches Bild“).

(Mehmood 2021).

Lokalisation

Der Dünndarm ist ein ungewöhnlicher Ort für eine Endometriose, der häufig diagnostische Probleme bereitet.

Betroffen sein können im Darm:

- Rektosigmoid in 50 – 90 %

- Dünndarm in 2 – 16 %

- Blinddarm in 3 – 18 %

- Zökum in 2 – 5 %  (Mehmood 2021)

- Lymphknotenbefall (Koyama 2021)

Klinisches Bild

Die Dünndarmendometriose kann völlig asymptomatisch verlaufen, sie kann aber auch zu folgenden Symptomen führen:

- Darmblutungen, die synchron zur Menstruation auftreten

- abdominellen, kolikartigen Schmerzen (Herold 2022)

- Übelkeit

- Erbrechen (Mehmood 2021)

- Tenesmen

- Blähungen

Diarrhoe und Obstipation im Wechsel

- Dyschezie (Burghaus 2020)

Diagnostik

Die Diagnose wird anhand der Anamnese (Bezug der Beschwerden zum Menstruationskalender) und komplexer apparativer Untersuchungen – ggf. auch interdisziplinär - gestellt (Keckstein 2017). Als Goldstandard haben sich dietransvaginale Sonographie, MRT- Untersuchung und die diagnostisch- operative Laparoskopie erwiesen (Keckstein 2017).

Bildgebung

Transvaginale Sonographie 

Hiermit lassen sich die tief infiltrierte Endometriose einschließlich des tiefen Rektumbefalls gut darstellen. Bei Letzterer zeigt die Untersuchung eine hohe Spezifität und Sensitivität (Burghaus 2020).

 

MRT

Die MRT des Beckens sollte präoperativ erfolgen, da hierbei u. U. Läsionen dargestellt werden, die laparoskopisch nicht einsehbar sind (Hauth 2004). Die Sensitivität liegt zwischen 77 – 93 % (Mehmood 2021). Burghaus beschreibt die Sensitivität hinsichtlich der tiefen Infiltration als hoch, ohne genauere Angaben zu machen (2020).

 

 

Sonstige Untersuchungsmethoden

Laparoskopie

Eine Laparoskopie zur Diagnostik sollte immer zusätzlich zum MRT erfolgen. In einer Studie von Hauth et al. aus dem Jahre 2004, die 13 Patientinnen mit Endometriose umfasste, konnten 27 Lokalisationen laparoskopisch identifiziert werden, von denen 13 (48 %) im MRT nicht darstellbar waren. 

 

Koloskopie

Die Sensitivität einer Koloskopie ist nur gering (Keckstein 2017). 

 

 

Histologie

  • Fleckige Infiltration von Drüsen in der Muscularis propria und Subserosa (Koyama 2021)

 

 

Differentialdiagnose

Komplikation(en)

  • Akute Darmobstruktionen (Kasper 2ß15)
  • Perforation
  • Invagination (Koyama 2021)
  • rezidivierender Subileus (Herold 2022)
  • multiple Komplikationen während der Schwangerschaft (Zodan 2009)

 

 

Therapie allgemein

Bei einer oberflächlichen Endometriose besteht die symptomatische Therapie aus einer hormonellen Behandlung, die kausale in einer operativen Entfernung der Endometrioseherde. Die Form der Behandlung sollte immer in Abhängigkeit von der Symptomatik erfolgen (Keckstein 2017).

Bei der tief infiltrierenden symptomatischen Darmendometriose ist die Therapie der Wahl die Resektion in sano (Burghaus 2020).

Interne Therapie

Die Hormontherapie stellt eine symptomatische Behandlung dar. Sie kommt insbesondere bei kleinen Ablagerungen in Frage (Mehmood 2021).

Verwendet werden dabei:

  • Gestagen- Monotherapie
    • Dienogest (Erstliniensubstanz [Burghaus 2020]), Dosierungsempfehlung: 2 mg / d (Leidenberger 2014)
    • z. B. Clinovir (Medroxyprogesteronacetat), Dosierungsempfehlung: 30 – 50 mg / d
    • Prothil (Medrogeston), Dosierungsempfehlung: 50 – 75 mg / d (Ebert 2011)
  • GnRH- Analoga mit und ohne Add- Back- Hormontherapie (Gätje 2015)
    • z. B. Elagolix, Dosierungsempfehlung 150 mg / d (Ebert 2019) 
  • kombinierte orale Kontrazeptiva in non- stop- Gabe als off- label- use (Ebert 2011)

Die Behandlung sollte mindestens für 4 – 6 Monate erfolgen. Da bei GnRH- Analoga die Gefahr einer Osteoporose besteht, ist die Therapiedauer auf maximal 6 Monate zu begrenzen (Gätje 2015). 

Die entzündungshemmenden und analgetisch wirkenden NSAR haben sich in Kombination mit der Hormontherapie als günstig erwiesen (Mehmood 2021).

Operative Therapie

Die einzige Kausaltherapie besteht in einer operativen Maßnahme (Koyama 2021).

Bei einer tief infiltrierenden Darmendometriose ist die operative Entfernung der Endometrium- Herde mit Resektion des betroffenen Darmabschnittes die Therapie der Wahl (Burghaus 2020), ebenso bei großen Läsionen, drohendem Ileus etc. (Mehmood 2021).

Sofern die medikamentöse Therapie (s. d.) nicht zu einer Verbesserung der Symptomatik führt, kann der chirurgische Eingriff elektiv erfolgen (Mehmood 2021).

 

 

Verlauf/Prognose

Die Schmerzen im Rahmen einer Endometriose können i. d. R. durch die medikamentöse Therapie (s. o.) gut gelindert werden. Allerdings beträgt die Rezidivrate 5 Jahre nach Ende der Therapie ca. 50 – 75 % (Ebert 2011).

Nach einer operativen Resektion liegt die Rezidivrate zwischen 5 – 25 % (Burghaus 2020).

Sofern sich ein Lymphknotenbefall zeigt, sollten Nachsorgeuntersuchungen erfolgen, da die Prognose in diesen Fällen nach wie vor unklar ist (Koyama 2021).

Die intra- und postoperative Komplikationsrate in Form einer Anastomoseninsuffizienz liegt bei einer Resektion des Rektumsegmentes zwischen 5 – 14 %. Von daher wird die tiefe Rektumresektion bei einer benignen Erkrankung sehr kritisch gesehen (Burghaus 2020).

Literatur

  1. Chivia J, Costa T M, Figueiredo P C (2020) Seltene Differentialdiagnose einer häufigen Manifestation von Morbus Crohn. Kompass Autoimmun (2) 137 - 138
  2. Burghaus S et al. (2020) Leitlinienprogramm: Diagnostik und Therapie der Endometriose. AWMF-Register: 015/045
  3. Ebert A D, Cornelius C P, Niehues C (2011) Endometriose. Walter de Gruyter Verlag Berlin / New York 110, 131
  4. Ebert A D (2019) Endometriose: Ein Wegweise für die Praxis. Walter de Gruyter Berlin / Boston 213
  5. Gätje R et al. (2015) Kurzlehrbuch Gynäkologie und Geburtshilfe. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 165
  6. Hauth E A M, Antoch G, Ruehm S G, Böing C, Kimmig R, Forsting M (2004) Wertigkeit der Magnetresonanztomographie (MRT) des Beckens in der päroperativen Diagnostik der Endometriose. Rofo 176 (9) 1265 - 1270
  7. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 477
  8. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1981, 1986
  9. Keckstein J (2017) Endometriose im Intestinaltrakt: Wissenswertes für Diagnose und Therapie. Coloproctology (39) 121 – 133
  10. Koyama R, Aiyama T, Yokoyama R, Nakano S (2021) Small Bowel Obstruction Caused by Ileal Endometriosis with Appendiceal and Lymph Node Involvement Treated with Single-Incision Laparoscopic Surgery: A Case Report and Review of the Literature. Am J Case Rep. 22:e930141 
  11. Kraatz H et al. (1977) Zentralblatt für Gynäkologie: Organ der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Johann Ambrosius Verlag Leipzig 110, 112
  12. Leidenberger F A, Strowitzki T, Ortmann O (2014) Klinische Endokrinologie für Frauenärzte. Springer Medizin Berlin / Heidelberg 547
  13. Mehmood S et al. (2021) Endometriosis of the Small Bowel: A Diagnostic Enigma. Cureus 13 (6) e15520
  14. Samartzis E P, Imesch P, Fink D (2012) Pathogenese der Endometriose: Theorien und Mechanismen der Endometrioseentstehung. Gynäkologie (3) 6 - 10
  15. Zodan T, Hahnloser D, Weber M, Zimmermann R (2009) Präexistierende Dünndarmendometriose und Komplikationen während der Schwangerschaft. Z Geburtsthilfe Neonatol. 213

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