Divertikel

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

This article in english

Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte melden Sie sich an, um auf alle Artikel, Bilder und Funktionen zuzugreifen.

Unsere Inhalte sind ausschließlich Angehörigen medizinischer Fachkreise zugänglich. Falls Sie bereits registriert sind, melden Sie sich bitte an. Andernfalls können Sie sich jetzt kostenlos registrieren.


Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte vervollständigen Sie Ihre Pflichtangaben:

E-Mail Adresse bestätigen
oder
Fachkreisangehörigkeit nachweisen.

Jetzt abschließen

Definition

Ausstülpungen der Wände einzelner Hohlorgane; pathologische Aussackungen der Wände einzelner Hohlorgane;

 

 

Definition

Unter einem Divertikel versteht man eine sackförmige Ausstülpung der gesamten Gewebeschichten oder einzelner Schichten der Auskleidung innerer Hohlräume (Neumann 2008 / MSD Sharp und Dohme 2007). Finden sich zahlreiche, aber symptomlose Divertikel, so spricht man von einer Divertikulose. Die Größe der Kolondivertikel z. B. liegt zwischen 3 mm – 3 cm, sog. Riesendivertikel können bis zu 15 cm groß werden. Verursachen die Divertikel Symptome, so spricht man von einer „Divertikelkrankheit“ (Mader 2018 / MSD Sharp und Dohme 2007).

Einteilung

Man differenziert zwischen echten Divertikeln und Pseudodivertikeln:

  • Echte Divertikel, auch als „Traktionsdivertikel“ bezeichnet (Block 2005):

Diese stellen Ausstülpungen sämtlicher Schichten der Darmwand dar

  • Pseudodivertikel auch als „falsche Divertikel“ oder Pulsionsdivertikel“ bezeichnet (Block 2005 /MSD Sharp und Dohme 2007):

Hierbei handelt es sich um Ausstülpungen der Mukosa (und Submukosa [Block 2005]) im Bereich von Muskellücken (Herold 2022).

Vorkommen

Divertikel im Ösophagus, Magen und Dünndarm treten nur selten auf, Kolondivertikel jedoch häufig (Frieling 2021), Letztere stellen weltweit die häufigste Erkrankung des Dickdarms dar. Die globale Inzidenz liegt zwischen 5 – 37 %. Das Auftreten der Divertikel nimmt mit dem Alter zu (Raguse 2001). Bei < 40- jährigen finden sich i. d. R. nur selten Divertikel (MSD Sharp und Dohme 2007), bei den > 85 jährigen sind bis zu 65 % betroffen (Mader 2018).

 

 

Ätiologie

Divertikel im Darm entstehen wahrscheinlich durch eine lebenslange ballaststoffarme Ernährung. Vollkommen gesichert ist der Entstehungsmechanismus jedoch nicht (MSD Sharp und Dohme 2007).

 

 

Pathophysiologie

Man vermutet, dass sich Kolondivertikel durch einen erhöhten intraluminalen Druck entwickeln. Es kommt dadurch zu einer Ausstülpung der Schleimhaut, die sich an den schwächsten Stellen in der Muskelschicht nach in das Lumen stülpt (MSD Sharp und Dohme 2007).

 

 

Lokalisation

Divertikel können auftreten im:

  • Ösophagus (sog. echte Divertikel [MSD Sharp und Dohme 2007)]); diese können lokalisiert sein:
    • zervikal als sog. Zenker- Divertikel (diese sind mit bis zu 70 % die häufigsten Ösophagusdivertikel)
    • thorakal (bei ca. 22 % der Ösophagusdivertikel auftretend)
    • epiphrenal (kommen in ca. 8 % der Ösophagusdivertikel vor)

(Block 2005)

  • Magen
  • Duodenum (hier oftmals im Bereich der Papille)
  • Ileum als Meckel- Divertikel (es handelt sich dabei um echte Divertikel [MSD Sharp und Dohme 2007)])
  • Kolon (überwiegend im Sigma; es handelt sich dabei um Pseudodivertikel [MSD Sharp und Dohme 2007)])

(Herold 2022)

Divertikel treten bei Europäern zu ca. 95 % im Sigma auf (Mader 2018) und zeigen dann eine Aszension. Im asiatischen Raum, dem vorderen Orient und Malta zeigt sich oftmals ein Beginn im rechten Kolon mit Deszension.

Die meisten Divertikel im Bereich des Darms befinden sich wegen der erhöhten Druckverhältnisse im Sigma (Raguse 2001).

Sehr selten sind Divertikel im Tränensack (Enright 2019), Sinus coronarius (Razeghian- Jahromi 2020), Ureter (McLoughlin 2013) etc. 

 

 

Klinisches Bild

Das klinische Bild differiert je nach Lokalisation:

  • Zenker- Divertikel:
    • Dysphagie
    • Retentionssymptome (Feußner 2011)
    • Foetor ex ore (Krombach 2015)
  • Ösophagusdivertikel:
    • Dysphagie
    • Regurgitationen
    • Aspirationsereignis (Lakhani 2020)
  • Sinus coronarius:
    • Herzrhythmusstörungen (Razeghian- Jahromi 2020)
  • Dünndarmdivertikel:
    • Gastrointestinale Blutungen (Zhao 2018)
  • Kolondivertikel:
    • Der Großteil der Patienten bleibt zeitlebens symptomlos. Mit zunehmender Anamnesedauer kann es zu einer Divertikelkrankheit kommen mit: 
      • schmerzhaften Entzündungen bei 10 – 40 % (treten besonders bei jüngeren und immunkompromittierten Patienten auf)
      • Blutungen bei 4,5 – 50 %, wobei es in 2 – 9 % zu einer Massenblutung mit Volumenverlusten bis zu 2.000 ml innerhalb 24 h kommen kann (Blutungen finden sich häufig mit zunehmendem Alter der Patienten (Raguse 2001)
      • Diarrhoe
      • Meteorismus
      • Blähungen (Mader 2018)

 

 

Diagnostik

  • Ösophagus:

Diese Divertikel können i. d. R. durch eine Breischluck- Untersuchung in 2 Ebenen diagnostiziert werden (Krombach 2015).

  • Kolon:

Die Diagnose der Darm- Divertikel kann durch eine Koloskopie oder einen KE- Einlauf gestellt werden. 

Bei einer durch Divertikel ausgelösten rektalen Blutung sollte eine elektive Koloskopie erfolgen. Bei einer stärkerenBlutung empfiehlt sich eine rasche Darmreinigung mit 5 – 10 l Polyethylenglykol- Lösung in 3 – 4 h per Magensonde. Sollte koloskopisch die Blutungsquelle nicht eruierbar sein, kann diese evtl. durch eine Angiographie lokalisiert werden (MSD Sharp und Dohme 2007).

Diagnostik einer Divertikelkrankheit s. d.

Komplikation(en)

Divertikel im Kolon können sich entzünden und eine sog. „Divertikelkrankheit“ auslösen (Herold 2022). Diese entzündlichen Veränderungen finden sich häufiger im linken Kolon (Raguse 2001).

Sie können als Divertikulose im Kolon außerdem zu Blutungen führen (MSD Sharp und Dohme 2007). Diese finden sich häufiger im linken Kolon (Raguse 2001).

Therapie allgemein

Die Therapie der Divertikel richtet sich nach der Lage und der Symptomatik:

  • Pharyngo- oesophageale Divertikel: Diese wurden bis vor 20 – 30 Jahren chirurgisch versorgt, inzwischen aber immer häufiger endoskopisch durch Gastroenterologen (Gutschow 2017). 
    • Zenker- Divertikel: Hierbei besteht mit der Diagnose eine Indikation zur operativen Behandlung gegeben, um die o. g. Symptome zu beseitigen und Rezidive zu vermeiden (Feußner 2011).
    • Thorakale Divertikel: Eine Therapie ist hierbei normalerweise nicht erforderlich (Block 2005)
    • Epiphrenische Divertikel: Falls es sich um einen großen, symptomatischen Divertikel handeln, sollte dieser operativ entfernt werden (Block 2005).
  • Kolondivertikel:

Patienten mit Divertikulose wird eine ballaststoffreiche Ernährung empfohlen, wobei Samenkörner etc. wegen der Gefahr einer Einklemmung im Divertikel gemieden werden sollten. Operative Maßnahmen sind bei unkomplizierten Fällen nicht angezeigt. Riesendivertikel hingegen sollten immer operativ entfernt werden (MSD Sharp und Dohme 2007).

  • Blutung:

Bei bis zu 75 % der Patienten sistieren Divertikelblutungen spontan. Ansonsten können intraarterielle Injektionen mit Vasopressin beendet werden. Die angiographische Embolisation stoppt die Blutung zwar ebenfalls, kann aber bei bis zu 20 % der Patienten zum Darminfarkt führen und wird deshalb nicht empfohlen (MSD Sharp und Dohme 2007).

 

 

Literatur

  1. Block B, Schachschal G, Schmidt H (2005) Der Gastroskopie- Trainer: Schritt- für- Schritt- Anleitungen für die Ösophago-, Gastro- und Duodenoskopie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 79
  2. Enright N J et al. (2019) Nasolacrimal Sac Diverticulum: A Case Series and Literature Review.  Ophthalmic Plast Reconstr Surg. 35 (1) 45 - 49
  3. Feußner H (2011) Zenker- Divertikel: Pro Operation. Der Chirurg (82) 484 - 489
  4. Frieling T (2021) Divertikel im Gastrointestinaltrakt. Der Internist (62) 277 - 287
  5. Gutschow C A et al. (2017) Pharyngoösophageale Divertikel. Der Chirurg (88) 717 - 728
  6. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 442
  7. Krombach G A, Mahnken A H et al. (2015) Radiologische Diagnostik Abdomen und Thorax: Bildinterpretation unter Berücksichtigung anatomischer Landmarken und klinischer Symptome. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 530 - 531
  8. Lakhani D A et al. (2020) Epiphrenic Diverticulum. Clinical Gastroenterology and Hepatology 19 (8) E 75 – E 76
  9. Mader F H, Riedl B (2018) Allgemeinmedizin und Praxis: Facharztwissen, Facharztprüfung, Anleitung in Diagnostik, Therapie und Betreuung. Springer Verlag Berlin 200
  10. McLoughlin l C et al. (2013) Ureteral diverticulum: a review of the current literature. Can J Urol 20 (5) 6893 - 6
  11. MSD Sharp und Dohme (2007) Das MSD Manual der Diagnostik und Therapie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 191 - 192
  12. Neumann J (2008) Immunbiologie: Eine Einführung. Springer Verlag Heidelberg 18
  13. Raguse T., Tusek, D., Vecqueray, I. (2001) Warum entwickeln Divertikel im Sigmadickdarm häufiger Komplikationen als Divertikel anderer Lokalisationen?. In: Divertikulitis. Springer Verlag Berlin, Heidelberg. 100 – 110
  14. Razeghian- Jahromi I et al. (2020) Coronary sinus diverticulum: Importance, function, and treatment. Pacing Clin Elektrophysiol. 43 (12) 1582 - 1587
  15. Zhao L et al. (2018) Small intestinal diverticulum with bleeding: Case report and literature review. Medicine Baltimore 97 (9) e 9871

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024