Angelman-SyndromQ93.5
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Harry Angelman (1915–1996), britischer Pädiater. Er beschrieb 1965 das nach ihm benannte Syndrom und nannte es aufgrund des auffälligen Bewegungsmusters und des häufigen Lachens der Kinder „Happy-Puppet-Syndrom“.
Ätiopathogenese
Mutation auf Chromosom 15 (Mikrodeletion auf dem mütterlichen Chromosom oder uniparentale Disomie 15q11-13). Der mütterliche Chromosomenabschnitt ist nicht funktionstüchtig und das UBE3A-Gen auf dem väterlichen Chromosom ist durch Imprinting stillgelegt; somit fehlt das Genprodukt komplett. Ist nicht der mütterliche, sondern der väterliche Chromosomenabschnitt fehlerhaft, führt dies zum Prader-Willi-Syndrom (s.a. Hypomelanosis Ito). Das Angelman-Syndrom kann eine erbliche Komponente haben. Die Eltern sind dabei nicht betroffen, weisen aber bestimmte Chromosomenbesonderheiten auf, die vererbbar sind.
Klinisches Bild
Skelettdeformitäten: Mikrozephalie, großer Mund mit hervorstehendem Oberkiefer, vergleichsweise kleine, auseinanderstehende Zähnen. Ungewöhnliches Hervorstrecken der Zunge (bei etwa 50 % der Betroffenen). Weiterhin finden sich Wachstumsstörungen, Skoliose, kleine Hände und Füße, nach außen gedrehte Füße.
Haut: Pigmentstörungen: Häufig nur schwach pigmentierte Haut, helles Haar und blaue Augen (Hypopigmentierung, zum Teil Parallelen zum Albinismus). Hyperhidrose, besondere Hitzeempfindlichkeit.
Augen: Schielen (Strabismus) mit einer Häufigkeit von 50 %.
Bewegungsstörungen: Im Kleinkindalter oft nur sehr eingeschränkte lautsprachliche Artikulationsfähigkeit. Bewegungs- und Gleichgewichtsstörungen, Ataxien, (meist ist ein steifer, ungelenker, schwankender Gang, mit ruckartigen, abgehackten (Lauf-)Bewegungen zu beobachten. Verzögerung der motorischen Entwicklung.
Mentale Entwicklungsstörungen: Charakteristisch für das Syndrom sind häufiges, oft objektiv unbegründetes Lachen (unmotiviertes Lachen), zum Teil regelrechte Lachanfälle, oft bei Aufregung und Stress, kognitive Behinderungen, häufig Hyperaktivität, Konzentrationsschwierigkeiten; ausgeprägte Schlafstörungen; oftmals gutes Gedächtnis für Gesichter, gute räumliche Orientierung.
Neurologische Störungen: Etwa 75 % der Betroffenen erleiden epileptische Anfälle (zwischen dem 3. und 36. Lebensmonat). Sie bergen ein ständiges Verletzungsrisiko, da sie mitten aus der Bewegung heraus zu Stürzen führen können. Die Anfälle verschwinden oft im Jugendalter. Nachweisbar sind Besonderheiten im EEG, auch unabhängig von Epilepsie und auch im Schlaf.
Diagnose
Die Diagnose wird im Schnitt zwischen dem 3. und 7.Lebensjahr, meist anhand auffälliger EEG-Werte gestellt: Ein positiver Gentest bestätigt die Diagnose.
Therapie allgemein
Das Angelman-Syndrom ist nicht ursächlich heilbar. Medizinisch relevant ist die adäquate Behandlung der vielfach auftretenden Epilepsie, des Strabismus und der Skoliose. Ansonsten sind eine heilpädagogische Frühförderung, Mototherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, sensorische Integrationstherapie und therapeutisches Reiten sinnvoll.
Verlauf/Prognose
Menschen mit Angelman-Syndrom bleiben lebenslang auf die Hilfe anderer angewiesen. Sie sind in unterschiedlichem, aber meist sehr begrenztem Maße intellektuell entwicklungsfähig. Sie benötigen meist spezielle Hilfen und vor allem dauerhaft personelle Unterstützung beim Lernen und bei der lebenspraktischen Bewältigung des Alltags.
Literatur
- Bonello D et al. (2017) Angelman Syndrome: Identification and Management. Neonatal Netw 36:142-151.
- Buiting K et al. (2016) Angelman syndrome - insights into a rare neurogenetic disorder. Nat Rev Neurol 12:584-593.
- Margolis SS et al. (2015) Angelman Syndrome. Neuro therapeutics 12:641-650.
- Spruyt K et al. (2018) Sleep in Angelman syndrome: A review of evidence. Sleep Med Rev 37:69-84.