Steal-SyndromG45.8
Synonym(e)
Anzapf-Syndrom der Arteria vertebralis; brachial-basilar insufficiency syndrome; Entzugs-Syndrom der Arteria subclavia; Subclavia-Entzugs-Syndrom; subclavian steal effect; subclavian steal syndrome; Vertebralis-Anzapf-Syndrom
Definition
Zerebro-vaskuläres Krankheitsbild, das durch eine Obstruktion der proximalen A. subclavia zur Anzapfung des basilären Strombahngebietes führt, z.B. bei Subclavian-steal-Syndrom.
Ätiopathogenese
Meist erworbene Störung infolge von arteriosklerotischem Verschluss des proximalen Anteils der linken A. subclavia, selten beider Aa. subclaviae. Pathogenetisch führt der entstehende Blutdruckabfall distal der Gefäßstenose zur Umkehr der Strömungsrichtung in der verschlussseitigen A. vertebralis und somit zur Ausbildung einer gerichteten Kollateralzirkulation von der gegenseitigen A. subclavia über die beiden Aa. vertebrales zum poststenotischen Abschnitt der A. subclavia. Diese Stromumkehr in der A. vertebralis, die sich durch vermehrten Blutbedarf nach Armbelastung steigert, führt zu einer "Anzapfung" des basilären Strombahngebietes zugunsten des Kollateralkreislaufes und zuungunsten der Hirndurchblutung im Hirnstamm und Kleinhirn.
Manifestation
Fast ausnahmslos ältere Menschen mit fortgeschrittener Arteriosklerose.
Klinisches Bild
- Bei ca. 10% der Patienten Bild der Calcinosis cutis oder Ausbildung von Atheromen, oft bereits Monate oder Jahre vor Auftreten akuter Symptome.
- Häufig asymptomatisch, wenn symptomatisch: Meist anfallweise (besonders nach Armarbeit) auftretende Zeichen einer zerebro-vaskulären Insuffizienz: Schwindelzustände, Nausea, Bewusstseinsstörungen, Paresen und/oder Taubheitsgefühl einer Körperhälfte, einer Gliedmaße oder Gesichtshälfte, flüchtige Sprech- und Gangstörungen, Auftreten von Doppelbildern, Hemianopsie, Nystagmus, Schluckstörungen, rezidivierende Hemikranie.
- Zeichen der Mangeldurchblutung eines Armes: Blutdruckdifferenzen zwischen beiden Armen, Pulsdifferenzen, Fehlen eines Radialispulses, Kältegefühl, Par- oder Dysästhesien, Fehlen des Pulses einer A. subclavia (in der Supraklavikulargrube), Muskelschwäche, Belastungsschmerz im Sinne des "intermittierenden Hinkens". Die Symptomatik kann je nach Lokalisation und Stenosegrad, aber auch abhängig von der Ausbildung von Kollateralkreisläufen variieren. Bei ausgedehnterem Kollateralnetz kann trotz Anzapfung noch eine ausreichende Hirndurchblutung gewährleistet bleiben und dementsprechend die Hirnsymptome fehlen.
Diagnose
Im Angiogramm Stenosierung oder Obliteration der A. subclavia (oder des Truncus brachiocephalicus) proximal vom Vertebralisabgang sowie die retrograde Kontrastmittelfüllung der A. vertebralis. Diagnose auch mittels Dopplersonographie.
Therapie
Operative Behandlung durch Gefäßchirurgen. Hautveränderungen dienen als diagnostisches Zeichen.
Literatur
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- Herring M (1977) The subclavian steal syndrome; a review. Am Surg 43: 220–228
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- Kersten HG, Rau G, Höffken W, Heberer G (1964) Das Anzapf-Syndrom der Arteria vertebralis bei Obliteration der Arteria subclavia im Abschnitt I (Subclavian steal syndrome). Med Klin: 1526–1530
- Reivich M, Holling HE, Roberts B, Toole JF (1961) Reversal of blood flow through the vertebral artery and its effect on cerebral circulation. N Engl J Med 265: 878–885
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