Faktor-XII-MangelD68.2
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Ätiopathogenese
Klinisches Bild
- Typisch für den Faktor XII-Mangel ist eine fehlende Blutungsneigung. Daher fehlen die typischen Symptome von Gerinnungsstörungen, z.B. Nasenbluten, Hämatomneigung, Purpura, Schleimhautblutungen, gastrointestinale Einblutungen, vermehrte Blutungen bei Verletzungen und verstärkte Blutungen nach Traumen (z.B. intraoperativ).
- Leitbefunde eines Faktor XII-Mangels sind eine PTT-Verlängerung bei unauffälligem Quick-Wert und normaler Thrombinzeit.
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Basierend auf dem Fall des ersten beschriebenen Patienten mit kompletter FXII-Defizienz, John Hageman, der an einer Lungenembolie verstarb, wurde die FXII-Defizienz lange Zeit als prothrombotischer Risikofaktor angesehen.
Zwar sind auch einzelne weitere Fallbeschreibungen bekannt, in denen Menschen mit defekten Kontaktfaktoren eine vermehrte Thrombophilie zeigen, jedoch konnten große klinische kontrollierte Studien in der Schweiz und den Niederlanden eindeutig nachweisen, dass die Defizienz an FXII nicht mit einem erhöhten Thromboserisiko assoziiert ist (Zeerleder et al. 1999).
2009 fanden Salomon et al. Hinweise, dass die Defizienz des FXIIa-Substrats FXI auch Menschen vor ischämischem Schlaganfall schützt (Salomon et al. 2009). Eine Arbeitsgruppe am Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf konnte darüber hinaus zeigen, dass auch ein Fehlen bzw. eine Hemmung anderer Kontaktsystemfaktoren wie Plasma-Kallikrein und hochmolekulares Kininogen vor Thrombosen schützt, ohne die Blutungsneigung zu erhöhen (Nickel et al. 2017).
Aufgrund der möglicherweise herausragenden Schutzwirkung eines "Faktor-XII-Mangels" vor dem Auftreten von Gefäßverschlüssen durch Thrombosen, lädt die Arbeitsgruppe des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf alle FXII-defizienten Personen ein, sich unter www.factor12.net (http://medistorage.net/f12/) zu registrieren, wo ein Register dieser selten angeborenen "Gerinnungs-Anomalie" entsteht. Die Arbeitsgruppe möchte erforschen, wie sich die Schutzwirkung eines Faktor-XII-Mangels auch für Menschen nutzen lässt, die über normale Faktor-XII-Spiegel verfügen.
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Weiterhin wird auch ein erworbener Faktor XII-Mangel durch Synthesestörungen oder durch Umsatzstörungen (z.B. Amyloidose, nephrotisches Syndrom) bzw. durch Inhibitoren bekannt (z. B. beim systemischen Lupus erythematodes oder bei Smouldering Leucemia). Neben seiner koagulatorischen Funktion startet Faktor XII das Kallikrein-Kininsystem; dies führt zur Bildung des Entzündungsmediators Bradykinin.
Hinweis(e)
- Faktor XII wirkt sowohl bei der Aktivierung der intrinsischen und extrinsischen Gerinnungskaskade (Aktivierung der Faktoren XI und VII) und der Fibrinolyse (Spaltung von Plasminogen) als auch bei der Aktivierung des Komplementsystems (Aktivierung von C1) mit. Der physiologische Inhibitor von Faktor XII ist der C1-Inhibitor. Der Koagulationsfaktor XII wird in der Leber gebildet (Molekulargewicht 80 kDa).
Merke! 2 sehr selten auftretende Punktmutationen im Faktor XII-Gen führen zum Typ III des hereditären Angioödems (HAE-FXII).
Literatur
- Margolius A, Ratnoff OD (1956) Observations on the hereditary nature of Hageman trait. Blood 11: 565-569
- Ratnoff OD, Margolius A (1955) Hageman trait: an asymptomatic disorder of blood coagulation. Trans Assoc Am Physicians 68: 149-154