XerostomieK11.7
Synonym(e)
Aptyalisum; Asiali; Asialie; Mundtrockenheit; Oligosialie
Definition
Mundtrockenheit durch Versiegen der Speichelsekretion. Der Terminus "Xerostomie und Hyposalivation" oder "Oligosialie" wird meist als subjektiv empfundene Mundschleimhauttrockenheit in Kombination mit einer starken Reduktion des Ruhespeichelflusses (Gesamtruhespeichelfließrate: < 0.1 ml/Min., stimulierte Gesamtspeichelfließrate: < 0.5 ml/Min.) definiert.
Einteilung
Man unterscheidet:
- Normaler (physiologischer) Speichelfluss: etwa 2,0 ml/Min. bei Stimulation (z.B. beim Kauen von Nahrung); etwa 0,3-0,4 ml/Min. im Ruhezustand (Speichelmenge).
- Eingeschränkter Speichelfluss (Oligosialie): Werte zwischen 0.5 und 2,0 ml/Min. bei Stimulation (z.B. beim Kauen von Nahrung); etwa 0,3 ml/Min. im Ruhezustand.
- Xerostomie: Werte unter 0,5 bzw. 0,2 ml/Min.
Vorkommen/Epidemiologie
Häufigkeit von 0.15%-3.8% unter der nordamerikanischen Bevölkerung.
Ätiopathogenese
- Als Ursachen kommen grundsätzlich in Betracht:
- Medikamente (häufigste Ursache; z.B. Vitamin A-Säure)
- Radiologische Therapie in der orofazialen Region
- Speicheldrüsenerkrankungen und -operationen
- Erkrankungen mit Speicheldrüsenbeteiligung
- Erkrankungen mit direkter oder indirekter Beeinflussung der Innervation und des Metabolismus der Speicheldrüsen
- Flüssigkeitsverlust durch verminderte Kautätigkeit
- Altersregression (physiologisch).
- Die medikamentös induzierte Xerostomie ist in den Industrienationen und bei der Alterspopulation jenseits der vierten Lebensdekade die häufigste Form der Xerostomie. Häufig entfalten Anticholinergika (über periphere Rezeptorblockade) und trizyklische Antidepressiva (über zentrale Rezeptorblockade) die stärkste xerogene Wirkung. Periphere Anticholinergika (z.B. Atropin) wirken über eine kompetitive Hemmung des Acetylcholinrezeptors der Drüsenzellmembran und verhindern damit die Signalübertragung des Transmitters. Die zentralen Anticholinergika sind schrankengängig und hemmen vermutlich das medulläre Speichelzentrum.
- Weitere Medikamente die eine Xerostomie hervorrufen können:
- Antihistaminika
- Antiparkinsonmittel
- Antihypertonika
- Diuretika
- Benzodiazepine
- Sedativa
- Hypnotika
- Antihypertonika
- Zytostatika.
- Spezifische Erkrankungen der Speicheldrüsen (beispielsweise maligne Tumoren) können zu irreparablen Schäden des Drüsengewebes führen. Nach Infektionen wie einer viralen Parotitis, kann sich als Spätfolge eine parenchymatöse Fibrosierung entwickeln. Verengungen oder Obstruktionen der Ausführungsgänge können dauerhaft sein (wie bei einer narbigen Stenose) oder temporär auftreten (wie bei Speichelsteinen) und entwickeln sich auf der Grundlage von operativen Eingriffen, chronischen Infektionen, Traumata und Tumoren oder sind bei den seltenen kongenitalen Missbildungen bereits pränatal angelegt.
- Weitere Erkrankungen die eine Xerostomie hervorrufen können:
- Sjögren-Syndrom mit generalisierter Dysfunktion der exokrinen Drüsen.
- Chronische Nephropathien
- Nebennierenschädigungen
- Diabetes insipidus mit Polyurie
- Diabetes mellitus mit osmotischer Diurese durch Glukosurie
- Erkrankungen mit zentralnervösen Störungen der Drüseninnervation bei Depressionen, Psychosen und vegetativen Dysregulationen
- Größere und anhaltende Flüssigkeitsverluste (wie durch Blutverluste, bei chronischer Diarrhöe, bei Erkrankungen mit Störungen des Wasserhaushaltes
- Verminderte Kautätigkeit bei schmerzhaften Mundschleimhaut- oder Zahnerkrankungen sowie insuffizientem Zahnersatz.
- Entsprechend den oben beschriebenen extraoralen Symptomen können folgende extraorale Befunde in Begleitung einer Xerostomie erhoben werden:
- Rhinitis mit Parosmie
- Xerophthalmie (Eintrocknung von Horn- und Bindehaut)
- Keratokonjunktivitis
- Pharyngitis
- Laryngitis und Bronchitis
- Refluxösophagitis
- Dyspepsie.
Manifestation
Vorwiegend bei der älteren Bevölkerung auftretend und bei ca. der Hälfte der Patienten persistierend, die unter einer Erkrankung des rheumatischen und autoimmunologischen (v.a. systemische Sklerodermie) Formenkreises leiden. Frauen sind besonders nach dem Klimakterium betroffen.
Klinisches Bild
- Die beiden oralen Kardinalsymptome der Speichelflussminderung sind ein Mundtrockenheits- oder Rauigkeitsgefühl (Zunge klebt am Gaumen) und ein verstärktes Durstgefühl. Weiterhin geht dieser Zustand mit brennenden und stechenden Dysästhesien (Zunge wie rohes Fleisch), Schluck- und Srachschwierigkeiten sowie Geschmacksstörungen (es schmeckt alles pappig) einher. Bei beeinträchtigtem Speichelfluss sind Kauen, Schlucken und Sprechen erschwert. Auch das Risiko für orale Infektionen nimmt zu, insbesondere für Candida-Befall.
- Häufig auftretende subjektive Symptome der Xerostomie:
- Kaubeschwerden (beim Verzehr von trockener Nahrung)
- Schluckbeschwerden (beim Leerschlucken)
- Geschmacksstörungen
- Sprechstörungen (durch Adhäsion der Schleimhäute)
- Kaubeschwerden (beim Verzehr von trockener Nahrung)
- Schmerzhafte Stellen im Mund und Taubheitsgefühl
- Zungenbrennen oder Mundbrennen
- Mundgeruch
- Zahnfleisch- oder Zungenbluten
- Prothesenunverträglichkeit.
- Häufige extraorale Symptome der Xerostomie:
- Trockenheit der Nasenschleimhaut mit Schorfbildung und Nasenbluten
- Geruchsstörungen
- Augentrockenheit mit Augenbrennen
- Trockenheitsgefühl im Hals mit Heiserkeit und chronischem Husten
- Hauttrockenheit
- Verdauungsstörungen mit Sodbrennen, Verstopfungen, Appetitlosigkeit, Brechreiz und Durchfall
- Miktionsbeschwerden mit verstärktem Harndrang.
- Objektive Symptome: Bei ausgeprägter Xerostomie ist der fehlende Glanz bzw. die stumpfe, trockene Oberfläche der oralen Schleimhäute sehr auffällig. Hierbei fehlt nicht nur der typische Flüssigkeitssee auf dem Mundboden. Die oralen Schleimhäute haben in diesem Fall sogar die Wirkung einer Fingergleitbremse. Häufig hat der Speichel auch eine zähflüssige und klebrige Konsistenz. Weiterhin Veränderungen der Schleimhautoberfläche mit Veränderungen der Zungenpapillen, Rissbildungen bzw. Fissurierungen der Epitheldecke (wie rissige Lippen oder Zunge), erosive und gelegentlich sogar ulzerierende Mukosadefekte. Häufig entwickeln sich ein Foetor ex ore sowie Störungen des ökologischen Gleichgewichts im Biotop der Mundhöhle mit sekundären bakteriellen, viralen und mykotischen (meist Candidosen) Schleimhautinfektionen.
- Die geschwächte Schutzfunktion betrifft auch die Pufferkapazität und die Remineralisationsfähigkeit, führt zu Störung des Zahnhartgewebes (progredienter kariösen Befall) mit breitflächiger Demineralisationen der Glattflächen. Die Zähne verlieren zunächst ihren Glanz und es treten opake (milchige, kreidige) Farbveränderungen auf. Der Schmelz verliert seine biomechanischen Eigenschaften und wird spröde, wodurch eine schnelle Abrasion des okklusalen Reliefs und der Inzisalkanten eintritt. Schließlich kommt es ohne ein adäquates therapeutisches Konzept zu einer völligen Zerstörung der Zähne.
Externe Therapie
Die Behandlung ist schwierig, aber unbedingt erforderlich, da ein Zuwenig an Speichel zu schweren Schäden an den Zähnen führen kann. Sie erfolgt symptomatisch mit vermehrter Flüssigkeitszufuhr (Mineralwasser, Tee), Speichelstimulation durch Kaugummi, saure Getränke, Präparate auf Zitronenbasis (Cave! Zahnerosionen bei bezahnten Patienten wegen des verringerten ph-Wertes!) oder medikamentös durch Substitution von künstlichem Speichel ( R236 bzw. Mundspülungen mit 10-20% Glyzerinwasser).
Hinweis(e)
Die großen Speicheldrüsen des erwachsenen Menschen produzieren zusammen etwa 1,0-1,5 l Speichel, wobei etwa 77% durch die Gll. submandibulares und 25% durch die Gll. parotides und Gll. sublinguales produziert werden. Der Grundbedarf wird durch eine kontinuierliche Ruhesekretion gedeckt. Die Speichelprduktion unterliegt einem zirkadianem Rhythmus und geht mit zunehmendem Alter zurück.