Nävoides Basalzellkarzinom-SyndromQ82.8
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Kaposi, 1872; Robert W. Goltz und Robert J.Gorlin, 1960
Bemerkung: Obwohl Gorlin viele Syndrome beschrieben hat, von denen mehrere seinen Namen erhielten, ist keines so eng mit seinem Namen verbunden wie das Nävoide Basalzellkarzinom-Syndrom.
Definition
Autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung mit Auftreten zahlreicher Basalzellkarzinome im frühen Lebensalter sowie multiplen weiteren Fehlbildungen, insbesondere des Skelettsystems, des ZNS, des Urogenitalssystems sowie des Herzens.
Leitymptome sind (vorzeitig sich entwickelnde) Basalzellkarzinome, Kieferzysten, Pits, Verkalkungen der Falx cerebri und Medulloblastome.
Vorkommen/Epidemiologie
Inzidenz: etwa 1/57.000 - 1:256.000 Patienten. In bis zu 40% der Fälle ist die Familienamnese negativ, so dass von einer entsprechend hohen Rate an Neumutationen auszugehen ist.
Ätiopathogenese
Autosomal-dominante Vererbung mit inkompletter Penetranz von Mutationen der Genloci 9q22.3 (PTCH1 Tumorsuppressorgen), 9q31 u. 1p32 (s.u. Hedgehog-Signalweg).
Das autosomal-dominant vererbte Nävoide Basalzellkarzinom-Syndrom (BCNS) kann durch Mutationen in 3 verschiedenen Genen verursacht werden:
- PTCH1-Gen (PTCH =Tumorsuppressorgen, 601309) auf Chromosom 9q22
- PTCH2-Gen (603673) auf Chromosom 1p32
- SUFU-Gen (607035) auf Chromosom 10q24-q25.
Somatische Mutationen im PTCH2-Gen wurden auch beim solitären Basalzellkarzinom (605462) sowie beim Medulloblastom (155255) identifiziert. Beide Malignome sind Merkmale des Nävoiden Basalzellkarzinomsyndrom.
Inzwischen wurden mehr als 70 Keimbahnmutationen bei Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom gefunden. Das PTCH-Gen kodiert für ein transmembranes Protein (PTCH), das als Rezeptor in der Sonic-Hedgehog Signalkaskade fungiert. Üblicherweise erfolgt diese Aktivierung durch ie Bindung von SHH an PTCH. Hierdruch wird die hemmende Wirkung von PTCH auf das zellmembranständige Protein Smoothened (SMO) aufgehoben. Damit können Signale in den Interzellularraum bis in den Zellkern fortgeleitet werden. Im Zellkern kommt es zu einer weiteren Aktivierung von Transkriptionsfaktoren (z.B. Gli1 = glioma-associated onogene homolog), die ihrerseits im Zellkern Gene induzieren, die zur Zellzyklusprogression und Zellproliferation führen (Hübner L 2014).
Lineare Bsalzellkarzinome: Als Sonderform des Nävoiden Basalzellkarzinom-Syndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom) werden Basalzellkarzinome in linearer Anordnung angesehen.
Manifestation
Auftreten in jedem Lebensalter möglich. Meist im frühen Erwachsenenalter auftretend.
Klinisches Bild
Haut: Multiple, dicht stehende Basalzellkarzinome (meist nodulo-ulzeröser Typ, zum Teil pigmentiert) v.a. im Gesicht, aber auch an Stamm und Extremitäten. Erste Basalzellkarzinome können schon vor dem 20. Lebensjahr auftreten. Langsames Wachstum; die Tumorgröße kann über Jahre stationär bleiben. Evtl. plötzliches, expansives, mit Ulzerationen und Destruktionen einhergehendes Wachstum einzelner Tumoren. In naehzu 90% der Fälle finden sich grübchenförmige Palmoplantarkeratosen (Pits). Weiterhin sind an der Haut Lipome, Epidermalzysten, Milien nachweisbar.
Skelettsystem: odontogene Kieferzysten, Rippenzysten, Zahnfehlbildungen, Gabelrippen, Spina bifida, Skoliose, Stirnhöcker, verbreiterter Nasenrücken, verkürzte Metakarpalknochen (4. und 5. Strahl), Syndaktylien.
ZNS: Makrozephalie, Agenesie des Corpus callosum (10% der Fälle), Verkalkungen der Falx cerebri, Katarakt, angeborene Amaurose, fakultativ mentale Retardierung; 5% der Betroffenen haben bereits im Kindesalter ein Medulloblastom des Kleinhirns.
Genitaltrakt: Fakultativ Verkalkungen des Ovars, Ovarialfibrome. Bei männlichen Patienten fakultativer Hypogonadismus.
Kasuistiken aus der Literatur zusammengestellt:
- Gorlin und Goltz (1960) beschrieben ein familiäres Syndrom mit multiplen nevoiden Basalzellepitheliomen, Kieferzysten und bifider Rippe. Die Vererbung war autosomal dominant.
- Herzberg und Wiskemann (1963) beschrieben das, was sie als "fünfte Phakomatose" bezeichneten, ein Basalzellnävussyndrom mit Medulloblastom. Sie berichteten über eine Familie, in der sowohl der Vater als auch der Sohn Basalzellkarzinome hatten, wobei der Sohn zusätzlich ein Medulloblastom und eine kongenitale thorakale Skoliose hatte.
- Cawson und Kerr (1964) beschrieben ein Syndrom mit Kieferzysten, Basalzelkarzinomen und Skelettanomalien. Einer der Patienten litt zusätzlich an einem Astrozytom mit schwerem Hydrozephalus. Weitere Merkmale waren Pits an Handflächen und Fußsohlen.
- Lile et al. (1968) beobachteten 4 Fälle in 3 Generationen einer Familie. Zwei der Patienten hatten eine kurze Endphalanx des Daumens.
- Berlin et al. (1966) beobachteten ein Ovarialkarzinom in Verbindung mit diesem Syndrom.
- Holubar et al. (1970) fanden Basalzellepitheliome in multiplen palmaren Grübchen (Pits) bei einem 8-jährigen Mädchen mit BCNS.
- Schwartz (1978) stellte hamartomatöse Polypen des Magens und mesenteriale Zysten als Merkmale des Basalzellnävussyndroms fest. Totten (1980) beobachtete bei einem betroffenen Patienten eine große kongenitale Lungenzyste, die die linke Thoraxhöhle einnahm.
- Cramer und Niederdellmann (1983) beschrieben 9 Personen aus 3 Familien mit zerebralem Gigantismus-Syndrom (117550); 7 der Patienten hatten auch Zeichen des Nävoiden Basalzellkarzinom-Syndroms. In einer Familie hatten Vater im Alter und Sohn Kieferzysten und andere Zeichen des Nävoiden Basalzellkarzinom-Syndroms. Ein zweiter Sohn litt unter Makrozephalie, leichtem Hydrozephalus, intrakraniellen Verkalkungen und EEG-Anomalien.
- Koch et al. (2002) beschrieben einen 13-jährigen Jungen mit NBCCS und mesenchymalem Lebertumor. Im Alter von 3 Jahren war bei ihm ein Medulloblastom durch Resektion und Bestrahlung behandelt worden.
Diagnose
- Diagnose klinischer Komplikationen nach Evans:
- Hauptkriterien:
- Mehr als 2 Basalzellkarzinome oder 1 Basalzellkarzinom vor dem 30. LJ
- Kieferzysten vor dem 20. LJ
- Palmare oder plantare Grübchen (> 3)
- Verkalkung der Falx cerebri
- Medulloblastom, v.a desmoplastischer Typ
- Positive Familienanamnese (Verwandte 1. Grades mit BZNS)
- Nebenkriterien:
- Angeborene Skelettanomalien:
- Gespaltene, verschmolzene oder fehlende Rippen
- Gespaltene oder verschmolzene Wirbelkörper
- Frontookzipitaler Kopfumfang (> 97. Perzentile, mit Stirnhöckern)
- Kardial- oder Ovarialfibrome
- Kongenitale Fehlbildung: Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalte, Polydaktylie, Katarakt, Iriskolobom.
- Angeborene Skelettanomalien:
- Hauptkriterien:
Merke! Diagnose wird gestellt, wenn 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium sowie 2 Nebenkriterien erfüllt sind.
Therapie
Externe Therapie
Interne Therapie
Literatur
- Anderson DE et al. (1967) The nevoid basal cell carcinoma syndrome. Am J Hum Genet 19: 12-22
- Bale AE (1997) Variable expressivity of patched mutations in flies and humans. (Editorial) Am. J. Hum Gene 60: 10-12.
- Berlin NI et al. (1966) Basal cell nevus syndrome. Ann.Intern Med 64: 403-421.
- Boutet N et al. (2003) Spectrum of PTCH1 mutations in French patients with Gorlin syndrome. J Invest Dermatol 121: 478-481
- Burgdorf WHC et al. (1988) Autosomal dominante Genodermatosen und ihre Assoziation mit internen Karzinomen. Hautarzt 39: 413-418
- Cawson R A et al. (1964) The syndrome of jaw cysts, basal cell tumours and skeletal anomalies. Proc. Roy Soc Med 57: 799-801
- Cramer H et al. (1983) Cerebral gigantism associated with jaw cyst basal cell naevoid syndrome in two families. Arch Psychiat Nervenkr 233: 111-124.
- Evans DGR et al. (1993) Complications of the naevoid basal cell carcinoma syndrome: results of a population based study. J Med Genet 30: 460-464
- Fink-Puches R et al. (1994) Retinoide in der Chemoprävention von Haut- und Schleimhauttumoren. Hautarzt 45: 671-677
- Gorlin RJ, Goltz RW (1960) Multiple nevoid basal-cell epithelioma, jaw cysts and bifid rib. A syndrome. N Engl J Med 262: 908-912
- Happle R (2000) Nonsyndromic type of hereditary multiple basal cell carcinoma. Am J Med Genet 95: 161-163
- Herzberg J J et al. (1963) Die fünfte Phakomatose. Basalzellnaevus mit familiärer Belastung und Medulloblastom. Dermatologica 126: 106-123
- Holubar K et al. (1970) Multiple palmar basal cell epitheliomas in basal cell nevus syndrome. Arch Derm 101: 679-682.
- Hübinger L et al. (2014) Genodermatosen mit malignen Hauttumoren. Hautarzt 65: 527-535
- Kaposi M (1872) Idiopathisches multiples Pigmentsarkom der Haut. Archiv für Dermatologie und Syphilis (Prag) 4: 265-273
- Koch CA et al. (2002) Two-hit model for tumorigenesis of nevoid basal cell carcinoma (Gorlin) syndrome-associated hepatic mesenchymal tumor. (Letter) Am J Med Genet 109: 74-76.
- LeSueur BW et al. (2003) Axillary basal cell carcinoma. Dermatol Surg 29: 1105-1108
- Lile HA et a. (1999) The basal cell nevus syndrome. Am J Roentgen Radium Ther. Nucl Med 103: 214-217.
- Linß G, Burhardt E, Reis A (2000) Korrelation zwischen Patched-Genmutation und klinischem Bild bei Basalzellnaevussyndrom (Gorlin-Syndrom). In: Plettenberg A, Meigel WN, Moll I (Hrsg) Dermatologie an der Schwelle zum neuen Jahrtausend. Springer, Berlin Heidelberg New York, S. 559-561
- Mirowski GW (2002) Nevoid basal cell carcinoma syndrome. J Am Acad Dermatol 43: 1092-1093
- Reifenberger J (2004) Hereditäre Tumorsyndrome. Hautarzt 55: 942-951
- Schwartz,RA (1994) Basal-cell-nevus syndrome and gastrointestinal polyposis. (Letter) New Eng J Med 299: 49
- Schulz-Butulis BA et al. (2000) Nevoid basal cell carcinoma syndrome and non-Hodgkin's lymphoma. Cutis 66: 35-38
- Stockfleth E (2002) Successful treatment of basal cell carcinomas in a nevoid basal cell carcinoma syndrome with topical 5% imiquimod. Eur J Dermatol 12: 569-572