Lesch-Nyhan-SyndromE79.10
Synonym(e)
Automutilationssyndrom; Autophagie; HGPRT-Mangel; Hyperurikämie-Syndrom; Hypoxanthin-Guanin-Phospho-Ribosyl-Transferase-Mangel
Erstbeschreiber
Catel u. Schmidt, 1959; Lesch u. Nyhan, 1964
Definition
X-Chromosomal-rezessiv vererbte Störung des Purinstoffwechsels, u.a. mit Hautveränderungen, Nephrolithiasis, Intelligenzdefekten u. Selbstverstümmelungstendenz.
Vorkommen/Epidemiologie
Inzidenz: 1/100.000 Einwohner/Jahr.
Ätiopathogenese
X-chromosomal-rezessiv vererbtes Fehlen der Hypoxantin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase in den Zellen mit stark erhöhter Harnsäurebildung und Autophagie. Als Ursache diskutiert werden Mutationen im Gen, das für das Enzym HGPRT kodiert (Genlokus: Xq26-q27.2). Pathogenetisch handelt es sich um eine Störung im Aufbau von Purinkörpern. Folgen sind vermehrte Harnsäureproduktion sowie Harnsäureeinlagerung in verschiedene Organen, basale Hirnganglien, Gelenk und Nieren.
Klinisches Bild
- Integument: Ulzerierende oder verkrustete Hautdefekte als Folge von Automutilationen in Form von Autophagie, insbes. an Lippen, Händen, Fingern usw.
- Extrakutane Manifestationen: Gichtknötchen (Ohrknorpel, Gelenke u.a.), Nephrolithiasis (Uratsteine), Hämaturie, Gichtarthritis, Oligophrenie, Entwicklungsverzögerung, Nystagmus. Schwere geistige Behinderung mit Spastizität, Hyperreflexie, Klonus, positivem Babinski-Reflex, Choreoathetose, Hyperkinesie- und Hyperpyrexie-Anfällen, Akroosteolyse.
Labor
Harnsäure 5–15 mg/dl; Hyperlipidämie, fehlende HGPRTase, sekundäre Anämie.
Diagnose
Pränatale Diagnose durch Nachweis fehlender Enzymaktivität (HGPRT-Aktivitätsmessung) aus Fruchtwasserzellen und Chorionvilli (oder molekulargenetisch durch direkten Mutationsnachweis) möglich. Pränatale Diagnose bereits im präimplantativen (8-Zell-) Stadium durchgeführt!
Differentialdiagnose
Idiopathische geistige Retardierung; Epilepsie mit unwillkürlichen Verletzungen; Cornelia-de-Lange-Syndrom; Möbius-Syndrom; Pseudo-Lesch-Nyhan-Syndrom.
Komplikation(en)
Nierenversagen
Therapie
Kausale Therapie nicht bekannt, Allopurinol wegen Hyperurikämie.
Verlauf/Prognose
Tod meist um das 10. Lebensjahr im Rahmen der Organschäden bei Hyperurikämie und Harnsäurekristallablagerungen.
Literatur
- Catel W, Schmidt J (1959) Über familiäre gichtische Diathese in Verbindung mit zerebralen und renalen Symptomen bei einem Kleinkind. Dtsch med Wschr 84: 2145–2147
- Ghei M et al. (2002) Pathogenesis of hyperuricemia: recent advances. Curr Rheumatol Rep 4: 270-274
- Gibbs D et al. (1984) First-trimester diagnosis of Lesch-Nyhan syndrome. Lancet II: 1180
- Lesch M, Nyhan WL (1964) A familiar disorder of uric acid metabolism and central nervous system function. Am J Med 36: 561–570
- Robey KL et al. (2003) Modes and patterns of self-mutilation in persons with Lesch-Nyhan disease. Dev Med Child Neurol 45: 167-171