BilharzioseB65.90

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

This article in english

Synonym(e)

Adernegelinfektion; Bilharziosis cutanea tarda; Schistosomiasis; Schistosomose

Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte melden Sie sich an, um auf alle Artikel, Bilder und Funktionen zuzugreifen.

Unsere Inhalte sind ausschließlich Angehörigen medizinischer Fachkreise zugänglich. Falls Sie bereits registriert sind, melden Sie sich bitte an. Andernfalls können Sie sich jetzt kostenlos registrieren.


Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte vervollständigen Sie Ihre Pflichtangaben:

E-Mail Adresse bestätigen
oder
Fachkreisangehörigkeit nachweisen.

Jetzt abschließen

Erstbeschreiber

Renoult, 1808; Bilharz, 1851; Katsurada, 1904

Definition

Durch Infektion mit Schistosomen (Pärchenegeln) hervorgerufene Tropenkrankheit, bei der es unbehandelt zur Eiablage in multiplen Organen mit nachfolgender granulomatös-fibrotischer Bindegewebsreaktion kommt. Dauer der Parasitose bis zu 20 Jahren.

Erreger

Schistosoma-Arten; Schistosoma haematobium (bevorzugt Befall des Urogenitaltraktes), Schistosoma mansoni, Schistosoma japonicum (Befall des Dickdarms und/oder von Leber und Milz), Schistosoma mekongi, Schistosoma intercalatum (Darmbefall). Endwirte der zu den Saugwürmern (Trematoden) gehörenden Schistosomen (Pärchenegel) sind Mensch und Säugetiere.

Vorkommen/Epidemiologie

Befallen sind etwa 200 Millionen Menschen in 70-80 Ländern weltweit. 120 Millionen sind symptomatisch erkrankt, davon 20 Millionen mit schweren klinischen Symptomen. Geographische Verbreitung:
  • S. haematobium: Afrika, Naher Osten.
  • S. mansoni: Afrika, Arabische Halbinsel, Südamerika (nördliche Staaten), vereinzelt in der Karibik (Ostkaribik).
  • S. intercalatum: Westafrika.
  • S. japonicum: China, Philippinen, Indonesien, in Japan nur noch vereinzelt.
  • S. mekongi: Laos, Kambodscha, Thailand.

Ätiopathogenese

Verunreinigung von Gewässern durch Fäkalien, die Wurmeier enthalten (Ausscheider sind Menschen, Hunde, Rinder u.a.). Daraus entwickeln sich in Süßwasserschnecken (Zwischenwirt) Zerkarien. Direkter Kontakt des Menschen mit dem verseuchten Wasser führt zu aktivem perkutanem Eindringen von Zerkarien; diese entwickeln sich in den Venen und Lymphgefäßen, v.a. der Leber zu adulten Würmern (Schistosomen); nach der Paarung legt das Weibchen Eier ab, die mit dem Blutstrom in multiple Organe gelangen und mit dem Stuhl und Urin ausgeschieden werden.

Klinisches Bild

  • Juckendes, urtikarielles, papulöses Exanthem an den Eintrittsstellen der Zerkarien (Zerkariendermatitis).
  • Akute Phase: Abwandern der Zerkarien in die Mesenterialgefäße: Fieber, Durchfall, Übelkeit, Urtikaria und Entwicklung von Ödemen.
  • Chronische Phase: Hängenbleiben der Wurmeier in kleinen Gefäßen. Entzündliche Reaktion des umgebenden Gewebes: Kleine bindegewebige Knoten und papulöse Wucherungen und Granulome, besonders in der Anal- und Genitalregion. Auch an Vulva, Vagina und Zervix (sandy patches). Ursächlich für die lokalen proliferativen Gewebereaktionen ist das Freisetzen von proteolytischen Enzymen durch die Schistosomeneier.    
  • Chronische Blasen-, Darm-, Lungen- und Gehirnbilharziose.
  • Karzinomatöse Wucherungen sind möglich: Leber-, Blasen-, Rektumkarzinom.

Diagnose

Nachweis der Schistosomeneier im Stuhl und Urin, evtl. auch in Biopsien von Blasen- oder Darmwand (Einachweis gelingt frühestens nach 5-12 Wochen). In Einzelfällen histologische Untersuchung von Leber- oder Lungenbiopsien. Nachweis spezifischer Antikörper im Serum (IFT, PHA, ELISA).

Therapie

  • Praziquantel (z.B. Biltricide Filmtbl.) 40 mg/kg KG als Einmal-Dosis, bei S. japonicum 3 Dosen mit 20 mg/kg KG. Heilungsrate 70%; finden sich bei Kontrolle des Urins oder bei der Biopsie vitale Eier, Behandlung wiederholen.
  • Alternativ: Bei Infektion mit S. mansoni Oxamniquin 15-30 mg/kg KG p.o. über 1-2 Tage, bei Infektion mit S. haematobium 7,5-10 mg/kg KG mit insgesamt 3 Einmalgaben im Abstand von je 2 Wochen.

Prophylaxe

  • In jedem Endemiegebiet Kontakt mit Süßwasser aus natürlichen oder künstlichen Gewässern vermeiden (Baden, Durchwaten, Waschen, Trinken).
  • Grundsätzliche Prophylaxe: Schneckenvernichtung, Änderung der Bewässerungsmethoden.

Fallbericht(e)

Eine 32-jährige kaukasische Patientin entwickelte seit 6 Monaten juckende papulöse und plaqueförmige Veränderungen  im Bereich der Vulva. Sie berichtete  über ein früheres juckendes papulöses Exanthem an Rumpf und unterer Extremität. Dieses sei nach einem 2 Jahre zuvor erfolgten, Badeaufenthalt an mehreren malischen Seen aufgetreten. Dieses sei nach einer Weile wieder abgeklungen.

Befund: im Bereich der kleinen und großen Schamlippen etwa 0,4-0,5 cm große, disseminierte und auch aggregierte rote Papeln und Plaques.

Klinische Diagnose: Condylomata acuminata.

Labor: auffällige Eosinophilie (14%).

Histologie: eosinophiles und Plasmazell-reiches Infiltrat mit epitheloidzelligen Granulomen und  Schistomosoma-Eiern.

Urinstatus: Nachweis großer Mengen an Schistosoma haematobium Eiern (Hinweis für eine Bilharziose der Harnblase).

Ultraschall der Harnblase: o.B.

Therapie: ED von 3g Praziquantel p.o. Chirurgisches Abtragen der  "Condylom-artigen" Papeln.   

     

Literatur

  1. Bialasiewicz AA et al. (2001) Subretinal granuloma, retinal vasculitis and keratouveitis with secondary open-angle glaucoma in schistosomiasis. Ophthalmologe 98: 972-975
  2. Bilharz T, von Siebold CT (1852-1853) Ein Beitrag zur Helminthographia humana, aus brieflichen Mitteilungen des Dr. Bilharz in Cairo, nebst Bemerkungen von Prof. C. Th. von Siebold in Breslau. Z Wiss Zool 4: 53-76
  3. Eichenlaub D et al. (2003) Parasite detection and symptoms of parasitic diseases. 1: Blood parasites. Internist (Berl) 44: 337-346
  4. Katsurada F (1904) The etiology of parasitic disease. Iji Shinbun 669: 1325-1332
  5. Kempf W (2016) Condylomata acuminatum und Bilharziasis cutanea tarda in derselbenvulvären Läsion. J Dtsch Dermatol Ges 14: 624-626
  6. Renoult AJ (1808) Notice sur l’hematurie qu epruvent les Europeens dans la haute Egypte et la Nubie. J Gen Med Chir Pharm 17: 366-370
  7. Richter J (2003) The impact of chemotherapy on morbidity due to schistosomiasis. Acta Trop 86: 161-183
  8. Ross AG et al. (2002) Schistosomiasis. N Engl J Med 346: 1212-1220

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024