Angioödem hereditäres, Mutation in F12D81.4

Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Angioedema, Hereditary, Type III; Angioneurotic Edema Hereditary with Normal C1 Inhibitor Concentration and Function; Angioneurotic Edema, Hereditary, with Normal C1 Inhibitor Concentration and Function; Estrogen-Related Hae; Estrogen-Sensitive Hae; F12-Related Hae with Normal C1 Inhibitor; F12-Related Hereditary Angioedema with Normal C1inh; Hae3; Hae-III; Hae with Normal C1 Inhibitor Concentration and Function; Hereditary Angioedema Type 3; Hereditary Angioedema Type III; Hereditary Angioedema with Normal C1 Esterase Inhibitor Activity; Hereditary Angioedema with Normal C1 Inhibitor Activity; Hereditary Angioneurotic Edema Type 3; Inherited Estrogen-Associated Angioedema; Inherited Estrogen-Associated Angioneurotic Edema; Inherited Estrogen-Dependent Angioedema; Inherited Estrogen-Dependent Angioneurotic Edema; OMIM: 610618

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Erstbeschreiber

Bemerkung: Das Wissen über seltene genetische Krankheiten wie das hereditäre Angioödem (HAE) hat sich parallel zur Entwicklung neuer molekularer Werkzeuge weiterentwickelt. Der Mangel an C1-Inhibitor (C1-INH) ist seit den 1960er Jahren als Hauptursache des HAE (HAE-C1-INH) anerkannt. Die Entdeckung des breiten Spektrums an Mutationen, die das C1-INH-Gen (SERPING1) betreffen, war erst ab Ende der 1980er Jahre möglich, als die Sanger-Sequenzierung verfügbar und weltweit leichter zugänglich wurde.

Die Beteiligung anderer Gene am HAE wurde jedoch erst 2006 mit der Beschreibung von Mutationen im F12-Gen bei Patienten mit HAE und normalem C1-INH entdeckt. Die durch die neue Ära der Genomik gewonnenen Erkenntnisse waren entscheidend für die Entdeckung von Mutationen in weiteren Genen, die das Verständnis für die komplexe Pathogenese dieses phänotypisch weitgehend identischen  Krankheitsbildes verbessert bzw. erklärbar macht. In den letzten drei Jahren ermöglichten fortschrittliche Sequenzierungstechniken der nächsten Generation die Identifizierung von Mutationen in fünf weiteren neuen Genen, die mit hereditären Angioödemvarianten mit normalem C1-INH (nC1-INH-HAE) in Verbindung gebracht werden konnten: ANGPT1 (Angiopoietin-1), PLG (Plasminogen), KNG1 (Kininogen), MYOF (Myoferlin) und HS3ST6 (Heparansulfat-Glucosamin-3-O-Sulfotransferase 6).

Definition

Das hereditäre Angioödem mit Mutation in F12 auch hereditäre Angioödem-3 oder HAE3 (HAE III) genannt, ist eine sehr seltene, autosomal dominant (X-chromosomal-dominant?) vererbte (Dewald und Bork 2006; Cichon et al. 2006), rekurrierende Erkrankung, die klinisch durch wiederkehrende Hautschwellungen, Bauchschmerzattacken und eine potenziell lebensbedrohliche Obstruktion der oberen Atemwege gekennzeichnet ist. Verursacht wird das hereditäre Angioödem Typ III, durch eine heterozygote Mutation im Gen für den Gerinnungsfaktor XII (Hageman-Faktor; OMIM:610619/ Cichon et al. 2006).

Vorkommen/Epidemiologie

Die Ekrankug ist sehr selten. Zahlen zur Inzidenz liegen nicht vor, da nur sehr wenige Fälle beschrieben wurden (vor allem Patienten mit französischer, deutscher oder britischer Herkunft).

Ätiopathogenese

Eine der möglichen Ursachen sind aktivierende Mutationen im F12-Gen (5q33-qter) für den Gerinnungsfaktor XII (Hageman-Faktor). Als Folge der erhöhten Faktor XII-Aktivität (bei normalem Serumspiegel und normaler Aktivität des C1-Inhibitors) wird vermehrt Bradykinin gebildet.

 

Manifestation

Anders als die HAE-Typen 1 und 2 tritt HAE 3 überwiegend bei Frauen auf. Bei einigen Patienten begann die Krankheit in der Pubertät oder nach der Einnahme oraler Kontrazeptiva. Gelegentlich traten die Symptome nur während der Einnahme oraler Kontrazeptiva oder während der Schwangerschaft auf.

Klinisches Bild

Zu den wichtigsten klinischen Merkmalen von HAE3 gehören: wiederkehrende Hautschwellungen, Bauchschmerzattacken und Episoden einer Obstruktion der oberen Atemwege. Es gibt keine Vorgeschichte mit Urtikaria. Die Dauer der Erkrankung erstreckt sich in den wenigen größeren Kollektiven über viele Jahre bis Jahrzehnte. Antihistaminika oder Kortikosteroide haben keinen Einfluss auf die Symptome; ebensowenig C1-Inhibitorkonzentrate.

Labor

Sowohl die Konzentration als auch die Funktion des C1-Inhibitors (C1NH; 606860) sind normal (Zusammenfassung von Dewald und Bork, 2006). Ebenso die C4-Konzentrationen. Bei einigen Patienten wurden jedoch während der Attacken deutlich abgesenkte C1-Inhibitor-Konzentration gemessen.

Molekulargenetik: 

Bei betroffenen Mitgliedern von vier deutschen Familien mit HAE3, von denen drei bereits von Bork et al. (2000) beschrieben worden waren, identifizierten Dewald und Bork (2006) eine heterozygote Missense-Mutation im F12-Gen (T309K; 610619.0006). Dewald und Bork (2006) fanden außerdem eine weitere Missense-Mutation am gleichen Codon in einer anderen deutschen Familie (610619.0007). Das F12-Gen wurde aus zwei Gründen als starker Kandidat für HAE III angesehen: Die proteolytische Aktivität des Faktors XII ist an der Bildung von Kininen beteiligt, die die Gefäßbindung erhöhen und die Ödembildung auslösen, und die Expression von Faktor XII und die Plasmaspiegel werden bekanntermaßen durch Östrogene reguliert.  

In einer italienischen Familie mit östrogenabhängigem Angioödem identifizierten Duan et al. (2009) Heterozygotie für die T328K-Mutation in der kodierenden Region des F12-Gens. Diese drei Patienten trugen auch das A-Allel des SNP rs3788853 im XPNPEP2-Gen (300145.0001), das möglicherweise zum Phänotyp beigetragen hat.

Fallbericht(e)

Binkley und Davis (2000) berichteten über eine italienische Familie der dritten Generation mit hereditärem Angioödem, die östrogenabhängig war. Die Episoden waren klinisch nicht von HAE Typ I und HAE Typ II (106100) zu unterscheiden, traten jedoch nur während der Schwangerschaft oder bei Einnahme von exogenen Östrogenen auf. Die Patienten waren ansonsten asymptomatisch, mit Ausnahme von 1 Patienten, der später im Leben ein Aspirin/NSAID-bedingtes Angioödem hatte. Laboruntersuchungen mehrerer Komplementproteine, einschließlich C1-Inhibitor, sowie ein Test auf Gerinnungsfaktor XII waren normal.

Bork et al. (2000) indentifizierten beim Screening einer größeren Population von Patienten mit rezidivierendem Angioödemen 10 nicht verwandte Frauen mit erblichem angioneurotischem Ödem, die eine normale Konzentration und Funktion des C1-Inhibitorproteins und eine normale C4-Konzentration aufwiesen. Bei einer detaillierteren Untersuchung dieser Familien wurden weitere 26 betroffene Mitglieder ermittelt, die ebenfalls alle Frauen waren. Vierzehn der 26 Frauen wurden untersucht und alle hatten eine normale C1-Inhibitor-Konzentration und -Funktion sowie eine normale C4-Konzentration.

Literatur

  1. Binkley KE et al. (2000) Clinical, biochemical, and genetic characterization of a novel estrogen-dependent inherited form of angioedema. J Allergy Clin Immun 106: 546-550.
  2. Bork K et al. (2000) Hereditary angioedema with normal C1-inhibitor activity in women. Lancet 356: 213-217.
  3. Cichon S et al. (2006) Increased activity of coagulation factor XII (Hageman factor) causes hereditary angioedema type III. Am J Hum Genet 79: 1098-1104.
  4. Dewald G et al. (2006) Missense mutations in the coagulation factor XII (Hageman factor) gene in hereditary angioedema with normal C1 inhibitor. Biochem Biophys Res Commun 343: 1286-1289.
  5. Duan QL et al. (2009) Genetic analysis of factor XII and bradykinin catabolic enzymes in a family with estrogen-dependent inherited angioedema. J Allergy Clin Immun 123: 906-910.
  6. Kranke B et al. (2000) Hereditary angioedema and normal C1-inhibitor activity in women. (Letter) Lancet 356: 1440.

Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024