Reaktive Sauerstoffspezies
Synonym(e)
Definition
Unter reaktiven Sauerstoffspezies (engl. „reactive oxygen species“ ROS) – auch als Sauerstoffradikale bezeichnet, versteht man eine Vielzahl von Verbindungen, die sich vom molekularen Sauerstoff (O2) ableiten, im Gegensatz zu molekularem Sauerstoff jedoch hochreaktiv sind. Auf Grund ihrer chemischen Aggressivität spielen ROS bei Entzündungsphänomenen und anderen pathologischen Prozessen (zusammengefasst werden diese Reaktionen unter der Bezeichnung „oxidativer Stress“) eine wichtige Rolle. Reaktive Sauerstoffspezies bewirken bei Proteinen eine Proteinoxidation und bei Lipiden eine Lipidperoxidation.
Einteilung
Zu den ROS gehören zum einen freie Radikale wie:
- das Hyperoxid-Anion (alte Bezeichnung: Superoxid-Anion) O2−
- das hochreaktive Hydroxyl-Radikal OH-,
- das Peroxylradikal ROO-
- das Alkoxylradikal RO- von Lipiden.
Weiterhin werden auch stabile molekulare Oxidantien wie:
- Wasserstoffperoxid H2O2
- Hydroperoxid ROOH
- Ozon O3
- Hypochlorit-Anion OCl−
- Singulett-Sauerstoff (O2)
Allgemeine Information
Im Organismus entstehen reaktive Sauerstoffspezies in den Mitochondrien. Sie sind dort ein Nebenprodukt der Zellatmung. Die mitochondriale O2-Produktion ist direkt proportional zur Sauerstoffspannung und ist damit ein wesentlicher Faktor der Sauerstofftoxizität. Außerdem wird reaktiver O2 von zahlreichen Flavin-abhängigen Dehydrogenasen (auch in Pflanzen) gebildet.
Im Rahmen von Entzündungsphänomenen spielen Phagozyten als Quelle von reaktivem O2 die entscheidende Rolle. In Monozyten, Makrophagen und polymorphkernigen Leukozyten wird O2 durch eine membranständige NADPH-Oxydase gebildet und ins extrazelluläre Milieu abgegeben um dort wirksam zu werden.
Die Bildung von reaktivem Sauerstoff durch Phagozyten ist normalerweise gering. Sie steigt aber exzessiv bei Aktivierung der Phagozyten, z.B. während der Phagozytose um mehr als das Zehnfache an. Die Radikalbildung von Sauerstoff von Phagozyten steht eindeutig im Dienst der Infektabwehr.
Nicht nur opsonierte Bakterien, sondern eine Vielzahl von nicht-infektiösen Fremdkörpern sowie endogene oder xenogene Substanzen können in Phagozyten die Sauerstoffbildung anregen. Hierzu gehört der Komplementfaktor C5a, das Leukotrien B4 und bakterielle leukotaktische Peptide.
ROS (vor allem Wasserstoffperoxid und Stickstoffmonoxid) werden auch von Pflanzen gebildet und kommen bei der Abwehr von zahlreichen Pathogenen zum Einsatz. ROS wie Hyperoxid und Wasserstoffperoxid scheinen eine wichtige Signalfunktion z. B. im Gehirn bei der Signalübertragung einzunehmen.
Organische Hydroperoxide: Diese Moleküle entstehen durch Autooxidation der ungesättigten Fettsäuren in Membranlipiden. Solche Autooxidationsvorgänge finden im Organismus bei jedem oxidativen Stress statt. Hierbei entstehen z.B. Fettsäureperoxide; diese sind ebenfalls instabil und zerfallen über Zwischenstufen in Aldehyde. Deren wichtigster Vertreter ist Malondialdehyd. Dieses wiederum kann Proteine vernetzen.
Myeloperoxidaseprodukte: Die Myeloperoxidase, auch MPX, ein Hämprotein, das in neutrophilen Granulozyten gefunden wird, setzt Sauerstoffperoxid mit physiologischen Halogeniden (Chlorid, Jodid) zu reaktionsfähigen Säuren zusammen (beispielsweise mit Chlorid zu unterchlorigen Säuren). Diese können z.B. mit beliebigen biogenen Aminen (z.B. Aminosäuren) reagieren.
Reaktive Stickstoffspezies: Durch die Reaktion des Hyperoxid-Anions O2·− mit Stickstoffmonoxid NO· entsteht Peroxynitrit, ONOO−. Dieses hochreaktive Radikal wird zusammen mit Stickstoffmonoxid als „Reaktive Stickstoffspezies“ oder RNS bezeichnet.
Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies: Für diese wichtige Reaktion stehen dem Organismus eine ganze Reihe von Stoffwechselfunktionen zur Verfügung: Hierzu gehören: Superoxid-Dismutase, Katalase, Glutathionperoxidase. Als Antioxidans im lipophilen Milieu wird alpha-Tocopherol angesehen. Ähnlich können Carotinoide, als Polyenderivate, Singulett –Sauerstoff abfangen.